Traumata beim Pferd

Traumata beim Pferd

Wie wir unseren Pferden bei der Verarbeitung helfen können und was wir für uns selber dabei lernen.

Was sind Traumas?

Ein mentales Trauma stellt analog zum Trauma in der Medizin eine seelische Verletzung dar. Diese Verletzung stammt von einer extremen psychischen Belastung. Die Folgen eines traumatischen Erlebnisses können psychischer und körperlicher Natur sein, wie zum Beispiel Posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen, Konzentrationsstörungen, Angststörungen, Suchterkrankungen, Kopfschmerzen, Magen-Darmbeschwerden, Schlafstörungen u.v.m.

Jede Erfahrung, die wir als negativ bewerten stellt eine Art kleines Mini-Trauma dar, welches wir mental verarbeiten. Das gelingt uns, je nach Ausprägung und Folgen des Erlebten mal mehr, mal weniger gut.

Erlebnisse in unserer Kindheit sitzen häufig noch heute sehr tief, denn als Kind ist man oft nicht im Stande das Erlebte komplett zu verarbeiten. Wie sehr uns diese Traumata noch heute beeinflussen, hängt im Wesentlichen von der Intensität des Erlebten ab. Das können Zustände vollkommener Hilflosigkeit, starke Schmerzen, extreme Stresssituationen sein, die man selbst erlebt (z.B. Gewalt, die einem angetan wurde) oder auch beobachtet hat (z.B. Kinder, in Familien mit häuslicher Gewalt, oder Soldaten im Krieg).

Definition Trauma nach Fischer & Riedesser

„[…] ein vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt.“

Die Fähigkeit Traumata zu erleben ist nicht allein der menschlichen Psyche vorbehalten. Auch Pferde sind in der Lage traumatische Erlebnisse zu empfinden, die ihr weiteres Leben und Verhalten maßgeblich beeinflussen.

Bewältigungsstrategien in der Tierwelt können entweder Vermeidung, vollkommene Lethargie oder auch Aggression sein. Tiere sind nicht im Stande das Erlebte zu verstehen und im gleichen Maße zu verarbeiten, wie wir. Sie können im Nachhinein keinen Sinn und keine Bedeutung des Erlebten verstehen. Sie können lediglich daraus lernen und eine Reaktion ableiten. Dieses Lernverhalten sorgt im Umgang mit unseren geliebten Vierbeinern schnell für Probleme. Ein relativ häufiges Beispiel ist das Pferd, dass sich nach einem Hängertrauma nicht mehr verladen lässt. Oder ein Pferd, dass sich nach einer extremen Schrecksituation künftig in ähnlichen Situationen nicht mehr händeln lässt. Aber es gibt auch weniger offensichtliche Traumata beim Pferd, welche sich durch lebenslange gesundheitliche Störungen, oder soziale Probleme, bis hin zu plötzlichen Verhaltensänderungen zeigen. Diese Zusammenhänge zu erkennen, gelingt einem erfahrenen Trauma-Therapeuten. Die Therapie sollte dann gemeinsam mit dem Besitzer erfolgen. Denn die emotionale Verbindung zwischen Pferd und Besitzer ist deutlich stärker, als es je ein Therapeut in einer Sitzung aufbauen könnte.

Pferde sind deutlich sensibler in ihrer Wahrnehmung von Energie und Emotionen. Sind wir wütend, unruhig oder gestresst, so spüren Sie das. Empfinden wir ehrliche und tiefe Empathie mit Ihnen, so nehmen sie auch das wahr. Habt ihr euch schon einmal offen und aufrichtig bei eurem Pferd entschuldigt? Habt ihr in einer Situation überreagiert, oder musste es wegen einer eurer Entscheidungen leiden?

Pferde können sich nicht verbal verständigen. Pferde können nicht im gleichen Ausmaß denken, wie wir. Aber sie sind durchaus im Stande Emotionen, wie Trauer, Mitleid, aber auch Freude, Aggression, zu spüren und einzuordnen. All das wird wahrgenommen und sehr gern gespiegelt. Diese Fähigkeit hilft uns enorm beim Training. Aber auch bei der Bewältigung von Traumata.

Im Folgenden betrachten wir die Schritte, die notwendig sind, um das Trauma gemeinsam mit dem Pferd aufzuarbeiten.

Erkennen & Akzeptieren

Erkenne und akzeptiere, dass dein Pferd ein traumatisches Erlebnis hatte. Hör auf andere Gründe für sein Verhalten zu suchen. Akzeptiere die Situation so, wie sie ist. Und zwar aufrichtig und ehrlich. Solange du nur mit halbem Herzen daran glaubst, wirst du deinem Pferd keine Hilfe bei der Bewältigung sein.

Empathie

Entwickle ein tiefes und aufrichtiges Mitgefühl für dein Pferd und seine Situation. Ärgere dich nicht über sein Verhalten. Hab keine Erwartungen, die es nicht erfüllen kann. Sei einfach auf ehrliche Weise empathisch.

Verstehen

Versuche dich in seine Lage zu versetzen. Durchlebe das Trauma einmal aus seiner Perspektive. Bedenke dabei jedes noch so kleine Detail. Wie lief es genau ab. Was hat dein Pferd dabei empfunden. Welche tiefen Ängste wurden dabei geweckt. Fühlte es Schmerzen physischer oder emotionaler Art?

Bist du für das Trauma verantwortlich? Dann befreie dich nun von jeglichen Schuldgefühlen, denn Sie behindern die Verarbeitung. Akzeptiere, was vorgefallen ist. Lerne daraus. Gesteh dir eigene Fehler ein, aber versinke nicht in Selbstmitleid. Wachse aus dem Erlebten zu einem neuen Menschen heran.

Vergeben & Nach vorn sehen

Hilf deinem Pferd dir oder dem Schuldigen zu vergeben, indem du dich bei ihm aufrichtig entschuldigst. Meine was du sagst. Empfinde, was du vorgibst. Aber verliere dich nicht in dem Gefühl der Schuld, sondern blicke nach vorn. Denn ihr habt beide aus dem Erlebten gelernt. Ihr geht gestärkt aus dieser Situation und bleibt nicht als Opfer zurück.

Dankbarkeit

Zu guter Letzt, seid Dankbar, dass ihr aus euren Erlebnissen gemeinsam lernen und dadurch wachsen konntet. Ihr seid hier an diesem Punkt in eurem Leben, weil alles genauso verlaufen ist. Egal was deinem Pferd oder euch beiden widerfahren ist, es brachte euch hier her. Von nun an seht ihr beide nach vorn und haltet nicht am Erlebten fest.

 

Ihr sollt das Erlebte nicht vergessen und auch nicht verdrängen. Das wird euer Pferd auch nicht tun. Pferde vergessen niemals. Aber Sie sind durchaus bereit zu vergeben und neu anzufangen. Diese grundlegende Eigenschaft haben Sie uns voraus. In unserer Gesellschaft wird Verzeihen gerne mit Schwäche gleichgesetzt. Es ist jedoch genau andersherum. Ein aufrichtiges Vergeben zeugt von wahrer Stärke. Weil es nicht leicht ist und sehr viel Empathie voraussetzt. So tragen wir alle eine ganze Menge an Groll und erlebten Traumata mit uns herum. Wenn wir von unserem Pferd erwarten, dass es seine Traumata loslässt, so sollten wir auch an unseren Altlasten arbeiten. Es ist nie zu spät dafür uns es wird auch nie der richtige Zeitpunkt dafür kommen. Aber der Effekt auf unser zukünftiges Leben ist enorm, wenn wir es schaffen, wahrhaftig damit abzuschließen, zu vergeben und unseren Nutzen aus dem erlernten zu ziehen. An Groll und Ärger von Vergangenen festzuhalten, ist wie Gift trinken und zu erwarten, dass der Feind dadurch stirbt. (Zitat Nelson Mandela). Man vergiftet sich dadurch nur selbst. Und genauso ist es mit Traumata, die man verdrängt und mit sich herumträgt. Sie vergiften unseren Körper, schleichend, still, ohne dass wir es bemerken. Schaffen wir es jedoch abzuschließen, können wir daraus wachsen. Denn jeder Mensch ist die Summe seiner Erfahrungen, den guten und den schlechten.

 

 

 

 

Immer nur Fressen? Zwischen Motivation und Konsequenz beim Pferdetraining im Gelände

Wer kennt das Problem nicht… gerade im Frühjahr wenn die Zeit des Anweidens beginnt und überall das saftig grüne Gras empor sprießt, gerade dann verlockt die leckere Versuchung. An einen entspannten Spaziergang oder gar richtige Arbeit im Gelände ist kaum noch zu denken – ist man doch vielmehr damit beschäftigt den Kopf immer wieder nach oben zu verfrachten. Oder hat man längst resigniert und lässt sich einfach teilnahmslos von Grasbüschel zu Grasbüschel schleifen…? Vielleicht habe ich den ein oder anderen Nerv getroffen, oder aber ihr kennt das Problem gar nicht oder habt bereits eure eigene Strategie damit umzugehen. Was ich euch in diesem Artikel gerne beschreiben möchte, ist eine Strategie das saftige Grün in eure Arbeit mit einzubauen – ja es gar als Motivationshilfe zu nutzen.  Ich selbst bin ein Verfechter des Futterlobs, denn nichts ist entspannender für ein Pferd als zu kauen – und da kommt uns das Gras zu gute. Allerdings sage ich gleich vorab, dass sich dieser Ansatz nicht für Pferde eignet, die aus welchem Grund auch immer auf Diät sind und kein Gras fressen dürfen. Was könnt ihr damit erreichen?

  • Entspannte Spaziergänge über eine Wiese, ohne lästige Fressversuche
  • Konzentrierte Arbeit im Gelände – ohne Fressversuche
  • Ausreiten – ohne dass der Kopf ständig und unvermittelt nach unten schellt
  • Ein motiviertes Pferd, dass die Arbeit im Gelände mit euch gemeinsam genießt
  • Anweiden in das Training gekonnt mit einbauen.

Kurz noch einmal vorab – übt bitte auf einer Wiese, auf welcher ihr die Erlaubnis dafür habt. Je höher und verlockender das Gras, desto besser für das Training – jedoch ärgerlich für den Bauern, falls er damit Heu machen möchte. Deswegen bitte vorab fragen 🙂

Was brauche ich dafür alles? Zunächst starte ich selbst mit einem gut sitzenden Knotenhalfter und einem etwa 3 m langen Strick. Zusätzlich verwende ich zunächst eine kurze Gerte, die schön leicht ist für unterwegs und mir als verlängerter Arm und Touchierhilfe dienen soll.

Das Vorgehen gliedert sich in 3 Phasen:

  • Einführung von 2 Kommandos: Wiese erlaubt das Fressen – Stimmkommando und Geste nach unten. Weiter beendet das Fressen kontrolliert und unmittelbar. Hierbei könnt ihr euch die konkreten Wörter natürlich selbst aussuchen. Wichtig ist wie bei jeder Lektion, dass ihr bei einem Kommando inkl. der dazugehörigen Körpergeste bleibt. Auch ist es von Beginn an wichtig, dass unmittelbar auf das Kommando eine Reaktion des Pferdes erfolgt. Gerade das Kommando Wiese ist dabei meist sehr schnell etabliert und wird gerne vom Pferd angenommen. Das Kommando Weiter ist da schon etwas schwieriger. Gleich vorab  – Tauziehen mit dem Pferdekopf ist hierbei der falsche Weg, um das Fressen zu beenden. Hierbei schaue ich mir sehr gerne an, wie innerhalb der Herde ranghöhere Pferde andere vom Fressen abhalten. Dies gescheit über zwei Wege – a) Körpersprache –gezieltes und dominantes Entgegentreten b) das Zwicken vor allem im hinteren Bereich des Körpers. Das machen wir uns zu Nutze und kopieren dieses Zwicken in Form von gezieltem touchieren mit der Gerte im hinteren Bereich und straffen loslaufen, idealerweise bringt man das Pferd beim Loslaufen etwas aus dem Gleichgewicht, indem man die Laufrichtung etwas ändert – das hilft vor allem am Anfang. Hier gilt der Grundsatz am Anfang ruhig so energisch wie möglich und je schneller und besser das Pferd reagiert, desto feiner wird die Hilfe. Irgendwann reicht das Kommando Weiter vollkommen aus und das Pferd läuft direkt los. Zum Üben der Grundkommandos reicht es zunächst über eine Wiese zu laufen und im Wechsel das kontrollierte Fressen mit dem Abbruch zu üben. Während der Laufphase ist es wichtig, dass man unerwünschtes Fressen konsequent und unmittelbar unterbindet. Auch dafür kann die Gerte genutzt werden, ein kurzer und effizienter Einsatz der Gerte ist viel verständlicher und natürlicher für das Pferd, als ein Tauziehen am Pferdekopf.
  • Das Einbinden von anderen Übungen in das Training: Hierbei sind eurer Kreativität keine Grenzen gesetzt. Alle Übungen, die ihr in der Bodenarbeit kennt und könnt, können nun im Gelände trainiert werden. Dabei wird zunächst immer erst eine Übung durchführt und bei korrekter Umsetzung durch eine kurze Fresspause (2-3 sek.) belohnt. Am besten fängt man hier mit leichten Übungen an, damit das Pferd bereits zu Beginn viele positive Erlebnisse hat. Wichtig ist, dass kontrolliert das Fressen eingeleitet und konsequent beendet wird. Beim Beenden kann man ruhig ein paar Laufschritte einbauen, bevor man zur nächsten Übung wechselt. In diesem Schritt merkt man schnell, wie das Pferd, durch die gezielte Befriedigung des Bedürfnisses das leckere grüne Gras zu fressen, zunehmend motivierter wird.
  • Im dritten Schritt verlängert man die Abstände zwischen den Übungen indem man ganz entspannt spaziert. Zwischendurch ruft man eine Übung ab und belohnt kurz und weiter geht’s. Durch unterschiedlich lange Abstände zwischen Belohnung und Abrufen einer Aufgabe erhält man das Aufmerksamkeitslevel, ohne dass das Pferd jedoch permanent versucht sich anzubieten. Es merkt schnell, dass es keinen Einfluss darauf hat, wann eine Übung gefordert wird und wartet geduldig ab, bis es soweit ist.

Dieses Grundprinzip kann man nun auch auf andere Bereiche Anwenden, wie beispielsweise beim Longieren, beim Reiten oder bei der Lösung von speziellen Problemen. Der einzige Nachteil ist, im Winter muss man dann wieder auf die herkömmlichen Leckerlies zurückgreifen 😀

Ich persönlich finde an diesem Ansatz gut, dass eine eigentlich als negativ verrufene Unart – das Fressen – zum positiven umfunktioniert wird. Somit gibt man dem Pferd trotz Training erneut ein Stück natürliches Verhalten zurück – denn es darf tun, was es ohne uns auf der Wiese auch tun würde – nur eben erst dann, wenn wir es als Leittier bestimmen. Ich freue mich auf eure Meinung zu dem Thema 🙂