Think positive – Erfolg beginnt im Kopf

Habt ihr euch einmal gefragt, warum Kinder so gut mit Pferden klar kommen? Ihnen fällt alles so viel leichter. Es scheint, als würden Sie sich instinktiv verstehen, ohne viele Worte. Erklärung suchen wir dann meist im “Pferdesinn” oder im sogenannten “Pferdegen”. Wir meinen damit eine Art angeborenes Gespür für den richtigen Umgang mit dem Pferd. Ich will nicht bestreiten, dass es so etwas gibt. Auch nicht, dass einige Menschen von Natur aus besser mit Pferden klar kommen, als andere. Was ich in diesem Artikel erläutern möchte, ist dass ich der festen Überzeugung bin (und damit berichte ich nicht nur aus eigener Erfahrung), dass jeder in der Lage ist, eine erfolgreiche und innige Beziehung zu Pferden aufzubauen. Die Basis dafür liegt meiner Meinung nach fern ab von jeglichem Unterricht oder Reitweise. Sie beginnt bei uns selbst.

Die Rede ist von mentaler Stärke – die Kraft der eigenen Gedanken. Sie hat einen gewaltigen Einfluss auf unsere Biochemie – denn mittels unsere Gedanken steuert das Gehirn unbewusst hormonelle Vorgänge, die wiederum Einfluss auf unser Gesamtbefinden und unsere Körpersprache haben. Fühlen wir uns gut, so lächeln wir automatisch mehr, als wenn uns etwas buchstäblich Bauchschmerzen bereitet. Haben wir Angst, meldet unsere Hirnregion mit dem Namen Amygdala ein Stresssignal. Unbewusst bereitet sich unser Körper auf eine Gefahrensituation vor. Eine Kaskade an Hormonen werden in Gang gesetzt, welche den Herzschlag erhöhen und damit den Blutdruck und die Atemfrequenz steigern. Doch das ist noch nicht alles – die Auswirkungen betreffen auch unsere Körpersprache – die Körperspannung geht verloren, wir werden schlacksig und neigen zu Übersprunghandlungen. Wir wir bereits wissen spielt die eigene Körpersprache eine sehr wichtige Rolle im Umgang mit Pferden. Als Herdenchef, dem das Pferd zu jeder Zeit vertrauen soll, machen wir so ganz ohne Körperspannung keine gute Figur. Da hilft es auch nicht, sich künstlich zu verkrampfen. Die Lösung liegt im Ursprung. Nämlich da, wo die Angst entsteht, in unserem Kopf.

Doch negative Gedanken zu überwinden, ist nicht für jeden so einfach, wie es klingen mag. Mentale Stärke ist eine Fähigkeit, die man ebenso erlernen muss, wie das Reiten selbst. Doch hat man sie erstmal drauf, so wird Vieles im täglichen Umgang mit unserem Vierbeiner viel einfacher. Wir schaffen es die Ruhe zu bewahren, nicht überzureagieren, in panischen Situationen uns schneller wieder zu fangen. Doch wie geht das nun? Im Alltag sind wir es gewohnt unaufhörlich zu denken. Unsere Gedanken strömen nahezu unaufhörlich durch unseren Kopf. Das Gespräch mit der Kollegin, die Einkaufsliste, die To-Do Liste, der Trainingsplan… was auch immer uns durch den Kopf gleitet – das müssen wir zunächst erstmal los werden. Stellt euch einen Timer auf 60 Sekunden und versucht in dieser Zeit nicht zu denken. Erlebt die vollkommene Stille in eurem Kopf – für 60 Sekunden. Klingt einfach, doch die Meisten werden bereits hier scheitern. Denn ohne dass man es will, kreisen die Gedanken um die Uhr, um die Zeit die noch verbleibt, um den Raum, die Luft, der Geruch usw. Unser Kopf will sein gewohntes Muster nicht so einfach verlassen. Das erfordert Übung – doch die lohnt sich.

Haben wir erst einmal Platz in unserem Kopf geschaffen und können ohne Probleme 5 – 10 Minuten ohne einen einzigen Gedanken verwahren, so sind wir schon in einer leichten Meditationsstufe angekommen. Es kehrt im wahrsten Sinne des Wortes Ruhe ein in unseren Körper. Der Herzschlag verlangsamt sich, die Atmung wird tief und ruhig. Wir entspannen uns. Jetzt können wir einen Schritt weiter gehen und in diese innere Leere Bilder platzieren. Keine Erinnerungen, die würden unweigerlich zum Grübeln führen – einfach nur bestimmte Bilder. Eine blühende Blumenwiese im Sonnenschein – die rauschende Wellen am Strand. Bilder die uns ein positives Gefühl verschaffen. Dieses Positive Gefühl versuchen wir so lange wie möglich zu halten. Wer sich an dieser Stelle noch tiefer mit der Materie vertraut machen möchte, der begebe sich auf die Spuren des autogenen Trainings. Die leichten Meditationsübungen können beim einschlafen helfen, Stress minimieren und sogar Schmerzen lindern. Aber wir benötigen erstmal nur die Kontrolle über unsere Gedanken.

Tritt nun eine unangenehme Situation auf – das Pferd benimmt sich daneben, erschrickt häufig, tänzelt rum – oder was auch immer euch unter Stress setzt, Angst oder Wut auslöst – leert genau in diesem Moment für minimal 10 sek euren Kopf. Das heißt nicht, dass euer Körper in dieser Zeit abschaltet – natürlich tut ihr was notwendig ist, haltet das Pferd fest, bindet es an oder was auch immer – Safety first – aber kontrolliert dabei eure Gedanken. Löscht alles negative raus. Egal was euch in den Sinn kommt… Der spinnt wieder, der will mich nur verarschen, mein Reitlehrer meinte ich muss mich mehr durchsetzen… Aller raus. Leert den Kopf vollkommen und setzt das positive Bild ein. Dann legt ihr eine kurze Pause ein und macht weiter. Aber diesmal stellt ihr euch nicht vor, was das Pferd nicht tun soll – sondern denkt daran, wie ihr es euch wünschen würdet. Denkt dabei immer positiv. Und ihr werdet eine starke Veränderung feststellen. Einmal merkt ihr, dass ihr euch nicht mehr aufregt – was schon mal eine tolle Grundlage ist. Ihr schafft es, euch wesentlich schneller zu beruhigen, schneller die Kontrolle über euren Körper zurück zu gewinnen und die Körperspannung zu erhalten und damit eurer Rolle als vertrauensvollen Herdenchef gerecht zu werden. Und es geht noch weiter, durch eure positiven Gedanken nehmt ihr direkt Einfluss auf euer Pferd. Ich will jetzt nicht behaupten, dass die Gedanken übertragen werden – das wäre zu weit hergeholt – aber dennoch werdet ihr feststellen, dass auch euer Pferd lernt ruhiger zu werden – es wird sich schneller entspannen, weil es euch nun vertrauen kann und es keine Angst haben muss, vor unberechenbaren Reaktionen, die ihr in Wut oder Stressmomenten zeigt.

Das klingt gut? Aber das kostet Zeit und Übung. Wie gesagt alles beginnt mit der Kontrolle eurer Gedanken. Baut diese Übung in euren Alltag ein und trainiert regelmäßig. Steigert euch in der Intensität der Übung und ihr werdet rasch Erfolge verzeichnen. Dann übertragt das Gelernte auf den Umgang mit euren Pferd – Think always positive – und alles ist möglich!

Umdenken im Pferdetraining – Strategie zur Lösung eines Problems

Z. ist ein Pferd, dass sehr intelligent ist. Er lernt sehr schnell. Er will gefallen. Er setzt das Gelernte häufig schon fast etwas hektisch um.

Wenn er etwas nicht möchte, so wird er schnell itzig (sächsisch für bockig 🙂 ). Das ist der absolut richtige Begriff für seine Reaktion. Er ist kein bösartiges Pferd – so etwas gibt es meiner Meinung nach nicht. Pferde, die unerwünschtes Verhalten zeigen, sind meiner Meinung nach entweder überfordert, unterfordert, verängstigt oder itzig. Itzig ist in dem Fall keine vorüberlegte Reaktion, sondern ein natürliches Abwehrverhalten des Pferdes gegenüber Handlungen, die es nicht möchte. Die Gründe für das “nicht möchten” können natürlich variieren. So kann Angst oder Überforderung ein Grund für itziges Verhalten sein. In Z. Fall kommt hinzu, dass er sehr jung und unerfahren ist. Er ist in einer Phase seiner Ausbildung, in der er lernt, wo sein Platz in der Welt ist. Das wirkt sich auf der Koppel aus – in Rangfolge-Konflikten, aber auch bei der Ausbildung aus. Er ist stets gutmütig und lernt gern, aber gelegentlich stellt er die Aufgabe auch in Frage. Das zeigt sich bereits sehr früh durch kleine Abwehrreaktionen, die nicht weiter dramatisch sind. So reagiert er beispielsweise auf leichten Zug am rechten Zügel mit einem Gegenzug in die andere Richtung. Das lässt sich sehr leicht durch touchieren der linken Schulter mit der Gerte lösen. Den Zug zu verstärken bringt absolut nichts, denn schlussendlich ist er der Stärkere.

Nun kommen wir aber zu dem Punkt, wo es wirklich kniffelig wird: Ich spreche von der Situation, in der er eine Lektion partout nicht ausführen möchte. Das muss nichts Schweres oder Neues sein. Ganz im Gegenteil, neue Lektionen sind für ihn immer spannend und interessant. Es handelt sich eher um Situationen, die so schon immer funktioniert haben, jedoch in diesem Moment einfach nicht gewollt sind. Natürlich handelt es sich hierbei um eine Art des Austestens. Er schmiedet keine Pläne, er will mich auch nicht ärgern. An solche menschlichen Eigenschaften glaube ich nicht. Nein es ist vielmehr ein kleines Rangspiel, dass er auch auf der Koppel regelmäßig auslebt. Will er beispielsweise aus der Heuraufe neben der Chefin fressen, so tastet er sich Stück für Stück heran und wartet auf ihre Reaktion. Und genau so ist es beim Reiten. Stück für Stück wird er nachlässiger und wartet auf meine Reaktion. Ich bin kein Freund vom gewaltvollen Durchsetzen. Natürlich wäre das das ein Weg gleich zu Beginn mit voller Härte auf ihn einzuwirken. Aber das möchte ich nicht. Das ist nicht die Art von Beziehung oder Ausbildung, die ich umsetzen möchte.

Eine Regeln aus dem NHS besagt, dass wenn das Pferd unerwünschtes Verhalten zeigt, so soll man dieses Verhalten solange herauskitzeln, bis es sich zum positiven Wendet (das kann bereits die kleinste positive Reaktion sein) und dann hört man sofort auf und gibt dem Pferd einen Moment Ruhe zur Belohnung.

Diesen Grundlegenden Ansatz möchte ich auf meine eigene Art umsetzen. Der Plan ist nun Folgender: Wenn Z. sich einer Lektion entzieht, so muss ich rechtzeitig und gleich zu Beginn daran arbeiten, dass er diese Lektion und wenn es nur ein Bruchteil davon ist – ausführt. Zunächst möchte ich jedoch folgendes tun. Ich gehe zunächst einen Schritt zurück und übe etwas, was er ganz sicher beherrscht und auch gerne umsetzt. Dann kehre ich zu meiner gewünschten Lektion zurück und führe diese jedoch nur zur Hälfte aus. Wenn er das gut macht, so gönne ich ihm eine Pause und mache im Anschluss wieder leichte Übungen. Dann kehre ich erneut zur schwierigen Lektion zurück und führe diese zu dreiviertel aus. usw. Solange bis wir 100% schaffen. Zeigt er Abwehrverhalten, so kitzel ich jeweils 1% mehr heraus, als er bereit ist zu geben und breche dann ab. Das Schwierige dabei ist, jeweils die richtigen Momente abzupassen, in denen ich aufhöre. Ich muss auf die kleinsten Signale achten, die er mir gibt. Zum Glück kenne ich ihn inzwischen so gut, dass ich genau spüre, wann er spannig wird und wann er entspannt.

Nochmal kurz die Erläuterung an einem Beispiel: Neulich wollte er bei der Trabarbeit auf der rechten Hand über die innere rechte Schulter abwenden. Ihm fällt es sehr schwer auf der rechten Hand zu traben, da er Linkshänder ist. Trotzdem müssen wir auch die rechte Hand üben, ich blieb also dran. Ich löste das Problem durch starken Schenkelkontakt innen und touchierte gleichzeitig die innere Schulter mit der Gerte, in dem Moment, als er anfing sich zu stark nach innen zu Biegen. Allerdings führte das nur dazu, dass er gegen hielt und immer schneller wurde. Bis er schließlich ein bisher komplett neues Verhalten zeigte. Er beginn zu bocken und zwar so stark, dass ich Mühe hatte, mich im Sattel zu halten. Diese Reaktion zwang mich zum Umdenken. Deshalb nun der Plan nach meiner neuen Strategie. Trabarbeit auf der rechten Hand jeweils nur für ein paar Trabsprünge. Schrittweise erhöhen. Bei Abwehr noch einen Schritt mehr fordern und dann aufhören und eine andere Übung machen. Setzt er die gewünschte Schrittzahl gut um, dann gibt es eine Ruhepause und wir wechseln wieder zu einer anderen Übung. Insgesamt sollte ich mir vorher genau überlegen, wie wieder Trabsprünge ich maximal in dieser Übungseinheit fordere. Damit wir ein gerechtes Ende finden und nicht unendlich weiter erhöhen. Zusätzlich üben wir natürlich auch vom Boden, damit er sein Problem auf der rechten Hand muskulär überwinden kann.

Interview mit NHS Trainerin und Autorin Jenny Wild

Jenny Wild ist Natural Horsemanship Trainerin mit Leib und Seele. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Peer Claßen gibt Sie Kurse und legt dabei Fokus auf eine tiefe Vertrauensbasis und eine echte Freundschaft zwischen Pferd und Mensch.

Sie hat bereits zwei Bücher geschrieben: Von Pferden lernen, sich selbst zu verstehen (zur Rezension) und das Übungsbuch Natural Horsemanship (zur Rezension). Ich habe die Chance genutzt und ihr ein paar Fragen zu ihren Büchern und ihrem Leben mit den Pferden gestellt.


Linda: Hallo Jenny. Vielen Dank, dass du dir etwas Zeit nimmst, um mir und den Lesern ein paar Fragen zu beantworten. Wie bist du eigentlich zum Natural Horsemanship gekommen und gab es einen Trainer oder Mentor, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Jenny: Hallo Linda, erst einmal ganz lieben Dank, dass du mich eingeladen hast, dieses Interview mit dir zu führen! Deine interessanten Fragen haben mich sehr motiviert!

Mit dem Natural Horsemanship ging es mir, wie den meisten anderen auch, mein damaliges Pferd Paul ging nicht auf den Pferdeanhänger und so brauchte ich eine Lösung. Meine Freundin hatte das gleiche Problem und so kamen wir durch glückliche Umstände an das Heimstudium für den Level 1 von Parelli und haben in ziemlich kurzer Zeit unsere Level Abnahme per DVD bestanden. Das Beeindruckende für mich war die Erkenntnis, dass ich natürlich nicht nur ein Verladeproblem mit meinem Paul, sondern noch sehr viele andere, teilweise ziemlich gravierende Probleme und Wissenslücken hatte. Fasziniert hat mich aber vor allem, dass ich auf einmal eine Möglichkeit hatte, viele Probleme autodidaktisch zu lösen. Es war eine der besten Errungenschaften überhaupt, dass es auf einmal nicht mehr nur um Probleme, sondern vor allem um tolle Ziele ging, die zu erreichen ich  mir kurz vorher noch gar nicht hätte träumen lassen. Natürlich reichte uns das Heimstudium nicht aus, und so besuchten wir unzählige Kurse bei vielen namhaften Horseman, angefangen mit Birger Gieseke, und im Laufe der Jahre bei Ralf Heil, Honza Blaha, Silke Vallentin, Karen Rohlf, Ian Benson, Alfonso Aguilar, Thomas Günther, Buck Brannaman, Jean- FranciosPignon und noch einigen anderen! In Erinnerung geblieben sind sie mir alle und ich weiß, dass mein heutiges Wissen eine Zusammensetzung ist aus vielem, was ich bei diesen Menschen gelernt habe. Besonders beeindruckt und beeinflusst hat mich aber auf jeden Fall Jean- FranciosPignon! Er hat mich und Peer so tief mit in die Welt der Pferde genommen, dass ich es gar nicht beschreiben kann. Ich bin so froh, dass wir die Möglichkeit hatten 5 Tage seiner Arbeit beizuwohnen – auf 2 Kursen und einem tollen Demotag!


Linda: In deinem Buch „Übungen Natural Horsemanship“ beschreibst du, dass es drei Arten von NEIN-Reaktionen seitens des Pferdes gibt. Woher weiß ich, welche davon zutrifft?

Jenny: Diese Frage ist nicht ganz so leicht zu beantworten, denn zu erkennen, welches NEIN mein Pferd mir gerade sagt, verlangt schon eine Menge Beobachtungsgabe, Erfahrung und Gefühl. Grundsätzlich ist es erst einmal wichtig, überhaupt zu erkennen, dass das Pferd mir NEIN sagt, denn dies ist eine Aussage, die ich unbedingt ernst und wichtig nehmen sollte, denn sie impliziert, dass etwas für mein Pferd nicht in Ordnung ist. Man hört so häufig Aussagen wie: „Er hat mal wieder keinen Bock!“ oder „Er stellt sich mal wieder mal an!“ In noch heftigeren Fällen sieht man Menschen, die mit Gerten, Sporen und Stimme auf ihr Pferd „einwirken“, um es zu irgendetwas oder irgendwohin zu bewegen, ohne auch nur ansatzweise darüber nachzudenken, dass es einen Grund geben könnte, dass das Pferd den „Wunsch“, besser wohl den Willen des Reiters, nicht einfach so umsetzt.

Ich kann immer nur wieder betonen, wie wichtig es ist, sein Pferd immer genau zu beobachten und zu lernen sein Pferd richtig zu lesen! Es gibt kaum etwas was so unfair ist, wie Fehlinterpretationen, die selten zum Ziel aber häufig zu weiteren Problemen führen. Sowohl in unserem neuen Übungsbuch, aber vor allem auch in unserem Kurs „Pferde verstehen und motivieren“ beschäftigen wir uns sehr ausführlich mit dem Thema „Pferde lesen“! Es macht so einen unglaublichen Unterschied, auf einmal in der Lage zu sein, die kleinen Zeichen des Pferdes zu lesen und eine Bedeutung dahinter zu erkennen! Kleine Zeichen werden auf einmal wichtig und schaffen riesige, positive Veränderungen. Hier geht es den Pferden natürlich genau wie uns Menschen. Man fühlt sich am besten, wenn man verstanden wird.

Zum besseren Verständnis gehe ich gerne noch mal etwas genauer auf die 3 NEINS ein:

NEIN, das kann ich nicht! Hierfür kann es verschiedene Gründe geben: Wenn das Pferd körperliche Probleme hat, die ihm Schmerzen bereiten, wird es viele vom Menschen gestellte Aufgaben nicht entspannt und motiviert ausführen können, weil es einfach körperlich dazu nicht in der Lage ist. Pferde sagen uns immer die Wahrheit! Wenn unser Pferd sich also weigert bestimmte Dinge zu tun, die es entweder in der Vergangenheit schon geschafft hat, oder die nicht besonders schwierig sind, sollte ich erst einmal prüfen, ob körperlich alles in Ordnung ist. Natürlich können aber auch seelische Probleme ein Grund für diese Art von Nein sein. Ein gutes Beispiel ist sicherlich immer der Anhänger. Hier sagen die Pferde selten NEIN, weil ihnen das Verladen Schmerzen bereitet, aber vielleicht verbinden sie Schmerz, ganz sicher aber Ängste mit dem Hänger! Eine weitere Variante für dieses NEIN könnte sein, dass ich mein Pferd schlichtweg überfordere: Wenn ich meine Amy, die gerade so über eine Tonne springen kann, fragen würde, ob sie über einen 1,60 m Oxer springen würde, wäre ihre Antwort garantiert: NEIN, das kann ich nicht! Und wie jedem klar sein dürfte, ist dies nicht böse gemeint, sondern ganz schlicht und einfach ein Fakt. Ihr könnt mich auch gerne mal fragen, ob ich einen Spagat kann…

NEIN, das weiß ich nicht! Dieses NEIN sagen Pferde sehr häufig, wenn sie mental und emotional überfordert sind oder der Mensch sich einfach zu undeutlich ausdrückt. „Andere Pferde machen das doch auch!“, hilft hier sicherlich genauso wenig weiter, wie: „Ich will aber, dass du das jetzt tust!“  Wir sehen leider so häufig Menschen, die ihren Pferden Aufgaben stellen, bei denen die Hilfengebung nach außen hin für Peer und mich schon überhaupt nicht zu erkennen ist. Nicht weil die Menschen so gut sind und die Hilfe schon fast unsichtbar ist, sondern weil die Frage so unlogisch und häufig sogar einfach falsch ist, dass eine richtige Antwort nur reiner Zufall sein kann. Ich persönlich kann jedem nur raten, sehr gut zu werden in seiner Körpersprache und in seinem Körpergefühl. Wenn das Pferd etwas nicht versteht, liegt es nicht am Pferd, sondern immer an uns! Im Übrigen macht es auch extrem viel Spaß seinem Pferd mit viel Gefühl und Empathie zu erklären, was man eigentlich von ihm möchte. Es wird nicht sehr lange dauern, bis aus dieser Art von NEIN ein motiviertes JA wird!

NEIN, ich mache es nicht! Auch dieses NEIN hat vorrangig etwas mit uns zu tun, weil das Pferd uns schlicht und ergreifend nicht glaubt! Jean- FranciosPignon hat immer gesagt, dass Pferdeuns ständig EINE Frage stellen: „Bist du wirklich stark?“ was so viel heißt, wie.„Kann ich mich wirklich auf dich verlassen?“ Dies ist die Natur des Pferdes und es bedeutet für dieses quasi wirklich sein Todesurteil, wenn es sich in inkompetente Hände begibt (zumindest aus Pferdesicht gesehen – für die Menschen, die nicht an sich arbeiten, kann es leider auch schnell mal umgekehrt sein). Wenn das Pferd also in solchen Fällen das Handeln verweigert, liegt es mit großer Wahrscheinlichkeit daran, dass es dem Menschen einfach nicht glaubt und ihn nicht genügend wahrnimmt. Es respektiert seinen Menschen also nicht (Respekt = Wahrnehmung). Das Pferd sagt nicht: „Ich bin besser als du!“, oder: „Ich bin mir so sicher!“, sondern ganz im Gegenteil sagt es: „Du bist nicht gut genug, um mir Sicherheit zu geben und ohne einen starken Partner bin ich auf mich allein gestellt, was mir Angst macht!“ Die Energie, die Menschen in solchen Situationen aufbringen, wird das Pferd in der Regel zu Flucht- oder Angriffsreaktionen veranlassen. Wie auch zuvor kann ich nur jedem raten hier viel an sich zu arbeiten und niemals dem Pferd die Schuld zu geben!


Linda: Wenn ich meinem Pferd eine Frage stelle, dann soll ich diese stets bis zu Ende stellen, aber wie lang darf ich mich tatsächlich mit einer Übung befassen und wann sollte ich besser abbrechen, um mein Pferd nicht zu überfordern?

Jenny Wild 3

Jenny bei der Arbeit

Jenny: Hier kann ich dir erst einmal nur die Standardantwort geben: „Es kommt drauf an!“ Es gibt meistens Extremata unter den Pferdeleuten. Die einen sind zu schnell sauer und werden wütend auf ihr Pferd, wenn es nicht so reagiert, wie sie es gerne hätten, die anderen haben Angst ihrem Pferd weh zu tun, wenn sie konsequent sind. Wie bei den meisten Extremfällen ist beides weder sinnvoll noch gerecht für das Pferd. Die Menschen, die ohne vorher nett und freundlich mit viel Gefühl ihre Frage zu stellen, gleich viel Druck machen, werden ihrem Pferd sicher Angst machen und es im schlimmsten Fall irgendwann mental, emotional und physisch abstumpfen. Die Menschen, die Angst haben konsequent zu sein und Fragen tatsächlich zu Ende zu stellen, werden in der Summe leider viel mehr Energie aufwenden und immer schlechtere Antworten bekommen, weil sie ihr Pferd schlicht und ergreifend desensibilisieren. „Das was ich sage, hat eigentlich keine Bedeutung!“ Es strahlt für das Pferd Unsicherheit aus, weil der Mensch sich nicht sicher ist, ob es richtig oder falsch ist, was er gerade tut. Die Desensibilisierung kann leider sogar dazu führen, dass Pferde beginnen Schmerzen zu ertragen. Die fehlende Konsequenz lässt sie ausharren. Das Resultat ist dann, dass die Menschen, die Angst haben ihrem Pferde weh zu tun, ihm viel mehr wehtun! Und hier kann ich nur wieder auf das Zitat von Jean- FranciosPignon hinweisen, in welchem das Pferd für seine eigene Sicherheit nach einem starken Partner sucht, der weiß, was er tut, ohne sauer zu werden! Die Grunddevise sollte immer lauten: freundlich aber bestimmt!

Wenn ich mit meinem Pferd in eine Situation gerate, wo z. B. äußere Einflüsse oder der emotionale Zustand des Pferdes die Aufgabe, in welcher wir gerade stecken, unmöglich macht, ist es überhaupt kein Problem, diese vorzeitig zu beenden und sich viel besser um die gemeinsame Sicherheit zu kümmern. Das Pferd wird sich nicht merken: „Ach so, ich brauche nur Todesangst zu bekommen und schon hört mein Mensch auf!“ Aber es wird wissen, dass der Mensch die Situation gut eingeschätzt hat, und dem Pferd im Endeffekt helfen konnte. Das ist wichtiger als jede Aufgabe und Übung.

Ein anderes Problem kann aber auch sein, dass der Mensch das Gefühl hat, er müsse Aufgaben so lange mit dem Pferd üben, bis diese perfekt sitzen. Das frustriert beide Seiten und wird das Pferd irgendwann dazu zwingen die Kompetenz des Menschen in Frage zu stellen. Jeder kleine Versuch in die richtige Richtung sollte belohnt werden. Je kürzer die Einheiten und je größer die Bestätigung, umso schneller wird der Lerneffekt eintreten. Pferde lernen so viel schneller als wir denken und meistens wissen sie beim nächsten Mal ganz genau, was wir von Ihnen wollen. Es sollte jedem Menschen bewusst sein, dass Pferde IMMER lernen! Wenn wir also inkonsequent und inkompetent in unseren Fragen sind, wird das Pferd in allerkürzester Zeit wissen, was es von uns zu halten hat und sich dementsprechend verhalten. Aber hier geht es uns Menschen ja ganz genauso…


Linda: Wie viel Zeit genau sollte ich meinem Pferd zum Rückzug als Belohnung geben? Und muss es während dieser Zeit mit der Aufmerksamkeit bei mir sein, oder darf es sich beispielsweise abwenden und Fressen?

Jenny: Was denkst du, wie meine Antwort lautet? „Es kommt drauf an!“ Grundsätzlich vielleicht: Je schwerer es dem Pferd gefallen ist die Lösung zu finden und je länger es gedauert hat, umso länger sollte auch die Belohnung sein! Jeder kann nur für sein Pferd herausfinden, wie viel Rückzug sinnvoll und vor allem notwendig ist. Meine Devise ist immer, dass es nie zu viel Rückzug geben kann! Er bringt uns und das Pferd aus der Situation und der Aufgabe heraus, verhilft uns zum Entspannen und zum Nachdenken. Ein kurzer Rückzug könnte z. B. sein, wenn man einfach mal kurz von der Aufgabe weggeht, sofort wieder zurück kehrt und dann gleich erneut fragt. Ein größerer Rückzug kann aber gut auch einige Minuten dauern. Insgesamt spielt auch die Persönlichkeit des Pferdes eine große Rolle. Introvertierte Pferde brauchen einen viel größeren und längeren Rückzug als extrovertierte Pferde. Im besten Fall sollten auch wir Menschen uns von diesen Pferden zurück ziehen, damit sie in der Lage sind sich zu entspannen und über die Aufgabe nachzudenken. Bei extrovertierten Pferden kann der Rückzug bedeuten, dass es sich bewegen oder spielen darf. In der Regel fällt es diesen Pferden danach viel leichter, sich wieder auf die Aufgabe zu konzentrieren! Auch an dieser Stelle kann ich nur auf unseren Kurs „Pferde verstehen und motivieren“ verweisen, in welchem diese Thematik, gerade auch was intro- und extrovertierte Pferde angeht, nur wärmstens empfehlen. Der Rückzug sollte auf jeden Fall so lange dauern, bis das Pferd ein positives Zeichen von Entspannung oder anderer Veränderung zeigt, dann kann ich weiter machen!


Linda: Eine Frage, die mir persönlich sehr am Herzen liegt, wie schaffst du es in schwierigen Situationen mit dem Pferd, nicht emotional zu werden und dabei nicht überzureagieren?

Jenny: Ich freue mich, dass du diese Fragen stellst, weil ich mir sicher bin, dass diese Fähigkeit eine der aller schwierigsten Dinge darstellt, die wir Menschen überhaupt lernen können! Und ehrlich gesagt habe ich auch bis jetzt nur einen Menschen gesehen, der es hinbekommt!

Als mir klar geworden ist, dass es für Menschen nichts einfacheres gibt, als Pferden Angst zu machen und es auf der anderen Seite kaum etwas schwierigeres gibt, als zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen, habe ich mir noch mehr Mühe gegeben, nicht emotional zu werden. Was mir auf jeden Fall sehr viel hilft ist der Grundtenor meines ersten Buches „Von Pferden lernen sich selbst zu verstehen“, indem ich darüber nachdenke, was es für mich bedeutet, wenn jemand mein Vertrauen missbraucht hat, und wie lange es dauert, bis ich diesem Menschen wieder wirklich vertrauen kann!

Wenn ich merke, dass ich es nicht mehr schaffe, geheich, wenn möglich, so lange woanders hin und lasse mein Pferd in Ruhe, bis ich meine Emotionen wieder im Griff habe! Oder ich gebe uns beiden eine entsprechende Pause, wenn ich an einem Ort bin, wo ich mich nicht von meinem Pferd und meinen Gefühlen zurückziehen kann. Ich weiß natürlich, dass es immer so viel leichter gesagt, als getan ist, und Peer und mir passiert es natürlich auch andauernd, dass wir merken, wie die Emotionen Überhand nehmen und man die Situation bzw. sich selbst, nicht mehr so unter Kontrolle hat, wie man es gerne hätte. Das ist nun einmal menschliches Verhalten. Aber genau dieses Verhalten führt ja auch in allen anderen Beziehungen regelmäßig zu Streit und schlechten Gefühlen! Hier empfinde ich es als extrem wichtig zu merken, dass man unfair war und danach weiter an sich selbst arbeitet, um beim nächsten Mal besser zu reagieren. Niemand ist perfekt, wenn man aber stark genug ist eigene Fehler zu erkennen und etwas an sich zu ändern ist man auf einem guten Weg ein guter Pferdemensch zu werden!


Linda: Ich war von deinem ersten BuchVon Pferden lernen, sich selbst zu verstehen: Durch Selbsterkenntnis zu mehr Pferdeverständnis” (zur Rezensionebenfalls sehr begeistert. Dabei gefällt mir vor allem dein Umdenken, Pferde nicht in Menschenschemata rein zwängen zu wollen, sondern sich selbst stetig zu reflektieren und an die Pferdewelt anzupassen. Wie kamst du zu diesen Erkenntnissen und was hat dich dabei inspiriert?

Jenny: Man hört so oft, wie unterschiedlich Pferde und Menschen sind. Dies begründet sich daraus, dass Pferde Fluchttiere und wir Jäger und Sammler sind, also keine reinen Raubtiere, aber auch keine reinen Fluchttiere. Und genau hier liegt der Punkt. Dieser Unterschied begründet sich vor allem in der Tierordnung und den artspezifischen Merkmalen. Das Pferd ist jedoch nicht nur ein Fluchttier sondern auch ein Herdentier und somit genauso wie der Mensch ein gesellschaftliches Wesen, dass auf das Zusammensein mit der Gruppe angewiesen ist. Hieraus ergeben sich extrem viele Gemeinsamkeiten, die leider häufig gar nicht betrachtet werden. Während der letzten Jahre ist mir in unseren Kursen immer mehr klar geworden, dass wir nicht an den Pferden, sondern an uns selbst arbeiten müssen, und dass es für uns Menschen extrem viel leichter ist, sich in das Pferd hinein zu versetzen, wenn wir selbst versuchen zu fühlen, wie sich Angst, Unsicherheit, Hunger, Neugierde, Eifersucht, Zuneigung, etc. anfühlen. Dies sind nämlich Gefühle, die Pferde ebenso wie Menschen fühlen. Ich kann mir sehr viel besser vorstellen, was es für das Pferd bedeutet in den Pferdehänger zu steigen, wenn ich mir vorstelle, wie ich mich dabei fühlen würde, wenn mich drei Personen auf den 10 Meter Turm im Schwimmbad zwingen und dann runter schmeißen würden! Wahrscheinlich wäre ich beim nächsten Mal nicht entspannter, wenn diese Aufgabe käme und wahrscheinlich würde ich schon vermeiden überhaupt ins Schwimmbad zu gehen, wenn ich eben diese Leute und den 10 Meter Turm schon von Weitem sehen würde!

Mir hat es extrem geholfen mir vorzustellen, wie ich mich in entsprechenden Situationen fühlen würde und vor allem, was Pferd und Mensch helfen kann und so kam ich auf die Idee, dieses Buch zu schreiben.


Linda:  Noch eine letzte Frage, planst du oder ihr ein weiteres Buch?

Jenny: Peer schreibt schon seit einigen Jahren an seinem „ersten“ Buch. Im Moment findet er leider wenig Zeit daran weiter zu schreiben, aber ich bin mir sicher, wenn er es mal irgendwann fertig hat, wird es ein Buch sein, was es bisher so noch nicht gegeben hat.

Nach unserem Übungsbuch für die Grundlagen am Boden, wären natürlich noch mindestens 2 Bücher sinnvoll, über die weiterführenden Übungen und über die Grundlagen beim Reiten, aber da haben wir noch nichts Konkretes geplant! Jetzt ist erst einmal alles so spannend, wegen meines ersten Buches und vor allem wegen unseres gemeinsamen Übungsbuches, auf welches wir extrem stolz sind!

Deine Jenny

Effektive Bodenarbeit mit dem Pferd im Gelände – Übungen

Ihr erinnert euch sicher noch an meinen Aufruf, Übungen fürs Gelände zusammen zu tragen. Ich habe sehr viele Zuschriften bekommen und möchte die Ergebnisse nun hier schön sortiert zusammentragen. Ergänzungen sind jeder Zeit willkommen.

Der größte und vielseitigste Trainingsplatz, den man sich nur vorstellen kann, befindet sich außerhalb des Stallgeländes. Nirgends lernt das Pferd besser sich auszubalancieren, seinem Menschen zu Vertrauen, ihm überall hin zu folgen, Gefahren zu meistern und kann dabei noch gezielt die Muskulatur aufbauen, die es zwingend brauch, um seinen Reiter zu tragen. Aber auch ältere Pferde oder Youngster können im Gelände sinnvoll und gesunderhaltend beschäftigt werden.

Natürlich habe weder ich noch irgendjemand sonst das Rad neu erfunden. Viele von euch gehen mit ihrem Pferd spazieren, longieren es auf dem Feld oder wissen umgefallene Bäume als Bodenstange zu nutzen. Ich möchte hier gern eine Sammlung an Übungen zusammentragen, um anderen die Chance zu geben sich Anregungen zu holen und sich inspirieren zu lassen.

Sicherheitsaspekte

Bei der Arbeit im Gelände muss man natürlich besonders aufmerksam sein, um Verletzungen zu vermeiden. Schaut euch die Umgebung genau an, gerade beim Longieren, sollte der Untergrund überprüft werden, Löcher oder große Steine können ein hohes Verletzungsrisiko darstellen. Wenn ihr mit Hindernissen arbeiten, achten auf Stabilität. Geht KEIN Risiko ein. Und bitte bringt weder euch noch euer Pferd in Gefahr.

Die rechtliche Lage beim Führen im Gelände ist einerseits von eurer Versicherung geregelt und andererseits gilt im öffentlichen Verkehrsraum natürlich die StVO und die besagt laut §28:

“Haus- und Stalltiere, die den Verkehr gefährden können, sind von der Straße fernzuhalten. Sie sind dort nur zugelassen, wenn sie von geeigneten Personen begleitet sind, die ausreichend auf sie einwirken können. Es ist verboten, Tiere von Kraftfahrzeugen aus zu führen. Von Fahrrädern aus dürfen nur Hunde geführt werden.”

Es ist demnach, nicht ausdrücklich vorgeschrieben, welche Zäumung ihr nutzen müsst, solange ihr nur genug Einwirken könnt. Eure Tierhalterhaftpflichtversicherung hingegen solltet ihr nochmal checken. Manche schreiben die Verwendung einer Trense mit Gebiss vor, sonst werden Schäden nicht übernommen. Andere unterstützen auch gebisslose Zäumungen. Natürlich möchte ich keinen Teufel an die Wand malen, aber auch diesen Punkt sollte man bedenken. Denn sollte wirklich etwas passieren, können Sach- und Personenschäden in Millionenhöhe entstehen.

Wo kann man üben?

Aufgrund einiger Hinweise von Lesern, habe ich mich entschlossen den folgenden Absatz zu ergänzen. Gerade das Thema Longieren im Gelände löste auf Facebook eine große Diskussion aus. Nun ist die Sachlage so, dass viele Wiesen und Felder in Privatbesitz sind und auch landwirtschaftlich genutzt werden. Bitte bedenkt, dass nicht jede Wiese einfach genutzt werden kann. Informiert euch Zweifelsfall bei den Nachbarn, im Ort oder auf der Gemeinde wem die Wiese gehört und ob es okay ist, diese zum Longieren zu nutzen. Die rechtliche Lage sieht nach meiner Recherche folgendermaßen aus: Das Thema Reiten wird je Bundesland oder teilweise auch von der Gemeinde separat bestimmt – so darf beispielsweise in Sachsen im Wald nur auf öffentlichen und auf Reitwegen geritten werden. Vom Führen steht da nix – hier der Link dazu. Zudem gilt zu beachten, dass es in Deutschland keinen öffentlichen Grund gibt, dass heißt alle Wiesen oder Felder, seien sie auch noch so verwildert, gehören wenn nicht in Privatbesitz, der Gemeinde, der Stadt oder dem Landkreis. Die Nutzung dieser Wiesen ist über die Wald- und Flur Gesetze und/oder über das Naturschutzgesetz geregelt. Also seid bitte auch bei solchen Wiesen achtsam und fragt im Zweifelsfall lieber nach, das spart Ärger. Auf befestigten Wegen, die auch zum Reiten zugelassen sind, könnt ihr immer ohne bedenken auch vom Boden aus arbeiten.

Die richtige Ausrüstung

Für die Arbeit im Gelände eignen sich im Grunde alle Zäumungen, mit denen Ihr eurer Pferd sicher unter Kontrolle habt. Ich sage mit Absicht “unter Kontrolle”, denn Vertrauen und Freundschaft hin oder her, das Gelände ist kein umzäunter Reitplatz. Wenn ihr eurer Pferd nicht halten könnt, dann kann das Böse enden und im schlimmsten Fall kann sich euer Pferd verletzen, oder gar andere Schädigen. Deshalb gilt hier immer der Hinweis: Safety First 😉 Hier eine kleine Auflistung der möglichen Zäumungen mit ein paar Kommentaren von mir:

Das Knotenhalfter

Das Knotenhalfter ist ein beliebter Ausrüstungsgegenstand. Es ist vom Gewicht her sehr leicht, allerdings aufgrund der Knoten von der Schärfe der Einwirkung nicht zu unterschätzen. Einen spannenden Artikel dazu findet ihr hier. Das Knotenhalfter stellt also eine recht gute Zäumung fürs Gelände dar, da ihr im Notfall genug Einwirkung habt, um euer Pferd zu halten, aber es sollte stets bedacht eingesetzt werden, da bei unsachgemäßer Anwendung die Knoten starke Schmerzen verursachen können.

 

Der Kappzaum

Kappzäume gibt es in verschiedensten Ausführungen: mit Naseneisen, ohne Naseneisen, als Serreta (lederummantelter Stahlbügel, aus einem Stück), als Cavecon (ummantelte Fahrradkette), als Stallhalfter mit Ringen, als Dually Kappzaum von Michael Geitner und und und. Im Grunde genommen eignen sich fast alle Kappzäume, für die Arbeit im Gelände. Ausklammern würde ich persönlich das Serreta, weil ich es generell für zu scharf halte, zudem wird es kaum möglich sein, ein wirklich passendes zu finden. Wichtig ist, generell dass der gewählte Kappzaum gut passt und vor allem richtig sitzt. So sollte er beispielsweise nicht ins Auge rutschen. Babette Teschen erklärt hier sehr gut, was einen guten Kappzaum aus macht und wie er sitzen sollte.

Die Trense

Wenn ihr auf Nummer sicher gehen wollt, dann benutzt bitte eine Trense zur Arbeit im Gelände. Diese sollte natürlich gut passen und richtig sitzen. Im Notfall habt ihr damit natürlich am Meisten Einwirkung. Allerdings würde ich nicht auf Trense longieren, daher empfehle ich diese Übung nicht zu machen. Aber prinzipiell können alle anderen Übungen auch mit der Trense ausgeführt werden.

Die Gebisslose Zäumung

Gebisslose Zäumungen wirken über den Nasenrücken ein und eignen sich unter Umständen auch für die Arbeit im Gelände. Auch hier gibt es inzwischen verschiedenste Ausführungen, einiger mehr, andere weniger scharf hinsichtlich der Einwirkung. Das Wichtigste ist, wie bei jeder Zäumung die perfekte Passform und der korrekte Sitz. Korrigiert mich, wenn ich mich irre, aber ich glaube mit einem Bosal lässt sich nicht besonders gut vom Boden aus arbeiten. Auch alle Zäumungen mit Hebelwirkung würde ich nicht verwenden, weil der Hebel vom Boden aus, einfach falsch und zu stark wirkt. Gut vorstellen kann ich mir ein Sidepull oder ein Bridleless Bite.

 

Das Stallhalfter

Ein normales Stallhalfter KANN genutzt werden, allerdings NUR wenn ihr euer Pferd damit gut KONTROLLIEREN könnt. Das heißt für mich, ihr könnt euer Pferd in jeder Situation problemlos halten, auch wenn es mal erschrickt, zur Seite springt oder ein paar Sätze nach vorn macht. Im Zweifelsfalls sucht euch eine der anderen Zäumungen aus, denn mit dem Stallhalfter habt ihr die geringste Einwirkung. Es ist allerdings auch die sanfteste Zäumung, denn weder Knoten, noch Stahl üben Druck auf empfindliche Punkte am Pferdekopf aus.

Der Führstrick

Es eignen sich eigentlich alle gängigen Modelle, die einen normalen Karabiner haben – KEINEN Panikhaken. Die Länge ist abhängig von den jeweiligen Übungen, die man machen möchte.

Die Übungen

Das Longieren im Gelände

Für das Longieren im Gelände eignet sich zunächst erstmal eine möglichst ebene Wiese. Wie bereits erwähnt sollte die nähere Umgebung auf Löcher und Steine abgesucht werden. Diese Übung solltet ihr langsam vorbereiten. Das Longieren auf dem freien Feld stellt eine große Herausforderung dar, weil es keine optische Begrenzung gibt. Pferde, die dazu neigen über die äußere Schulter abzudrehen, werden sich von dem Blick auf’s freie Feld angespornt fühlen. Es versteht sich von selbst, dass das Longieren zunächst auf einem Reitplatz trainiert werden sollte. Klappt es dort, kann man langsam anfangen die Übungen aufs Gelände zu verlegen. Zunächst nur Schritt, später Trab und erst wenn man sich selbst sicher fühlt Galopp. Ratsam ist, dem Pferd eine Notbremse beizubringen. Mein Pferd hat beispielsweise gelernt, dass es sofort zu mir kommen soll, wenn ich mich von ihm abwende. Das Longieren beende ich immer auf diese Weise. Ich kann ihn in jeder Gangart anhalten und zu mir rufen. Selbst als er sich einmal im Übermut auf dem Reitplatz losgerissen hat, kam er auf mein Abwenden sofort zu mir.

Eigentlich ist es selbstverständlich, aber ich möchte noch kurz davon abraten, jegliche Form von Ausbindern im Gelände zu benutzen. Sollte es eurem Pferd gelingen, mit den Dingern stiften zu gehen, so kann es sich sehr schwere Verletzungen zufügen. Also unabhängig davon, wie ihr auf dem Reitplatz longiert, lasst es besser im Gelände. By the way, Babette Teschen’s Longenkurs zeigt euch eine schonende Art ohne Ausbinder sinnvoll zu longieren.

Ein Vorteil, den euch ein Reitplatz nicht bieten kann, wenn das Longieren im Gelände sitzt, so könnt ihr durchaus auch leichte Steigungen mit einbauen. Ihr könnt auch anstatt einen Zirkel, eine beliebig große Ovale laufen. Ihr habt einfach viel mehr Platz und könnt so gezielt bestimmte Muskelgruppen trainieren.  Nach der Arbeit, könnt ihr noch entspannt nach Hause spazieren, oder euer Pferd zur Belohnung noch etwas grasen lassen. Für mich persönlich, die schönste Art das Training zu beenden 🙂

Auch die Arbeit mit der Doppellonge kann im Gelände geübt werden. Aber auch hier gilt, erst auf dem Reitplatz vorbereiten und Schritt für Schritt nach draußen verlegen. Ebenso könnt ihr die Langzügelarbeit im Gelände versuchen. Euer Pferd muss dabei mutig voran gehen, während ihr von hinten steuert.

Führtraining im Gelände

Nichts lässt sich besser mit einem Spaziergang verbinden, als das Führtraining. Kleiner Buchtipp an dieser Stelle: Britta Reiland beschreibt sehr effektive und gesunderhaltende Übungen in ihrem Buch Bodenarbeit und Führtraining.

Eurer Kreativität sind nun keine Grenzen gesetzt. Ihr könnt beispielsweise auf dem Feld wie auf einem imaginären Reitplatz arbeiten und Hufschlagfiguren ablaufen. Ihr könnt aber auch die Übungen einfach während des Spaziergangs als kleine Sequenzen abrufen, das stärkt die Aufmerksamkeit. Eine sehr gute Übung ist der bewusste Wechsel der Geschwindigkeit. Achtet mal drauf, wie euer Pferd reagiert, wenn ihr schneller oder langsamer werdet. Animiert es zum mithalten, bei der Beschleunigung und bremst es aus, wenn ihr langsamer werdet. Eine sehr gute Übung ist auch, mal übertrieben langsam, schon fast in Zeitlupe zu laufen. Das beansprucht die Muskeln sehr stark und fordert viel Konzentration.

Ihr könnt auch das ganze 1 mal 1 der Bodenarbeit üben: Seitengänge, Vorderhandwendung, Hinterhandwendungen, Rückwärtsrichten und und und. Als Hilfmittel nutzt ihr was ihr finden könnt, wie beispielweise einen Zaun oder eine Hecke als Begrenzung für die Seitengänge.

Eine sehr wichtige und effektive Übung stellt das Führen in Stellung dar. Sowohl Babette Teschen, als auch Britta Reiland geben dafür ausführliche Anleitungen. Im Grunde genommen erarbeitet ihr an der Hand eine Dehnungshaltung und später sogar eine Versammlung. Dadurch trainiert ihr gezielt die Rückenmuskulatur des Pferdes und das auf schonende Art und Weise.

Besonders empfehlen kann ich auch die Trab und Galopparbeit an der Hand. Die Übung erfordert starke Disziplin, denn euer Pferd darf euch nicht überholen, oder gar überrennen, zudem muss es sein Tempo an euch anpassen. Positiver Nebeneffekt, ihr stärkt dabei auch eure Fitness und Kondition.

Hindernisarbeit im Gelände

Auch hier sind der Fantasy keine Grenzen gesetzt. Nutzt, was ihr findet, aber VORSICHT geht dabei bitte kein RISIKO ein. Morsche Stämme eignen sich nicht zum drüber laufen. Ein matschiger Hang sollte weder hoch noch runter gelaufen werden. Aber ich denke das ist eigentlich selbstverständlich.

Wie wäre es mit einem Slalom um eine Baumgruppe? Erhöhter Schwierigkeitsgrad, Führen in Stellung um die Bäume herum, dabei gezielt darauf achten, dass ihr am Wendepunkt umstellt.

Baumstämme eignen sich super zur Stangenarbeit. Wie wäre es wenn ihr mal seitlich darüber lauft, also Vorderbeine über den Stamm, Hinterbeine dahinter und dann seitlich entlang des Stammes. Wenn ihr recht sicher im Springen seit, springt doch mal gemeinsam drüber, sofern der Stamm genug Raum rings ums hat.

Hügel eignen sich super um rückwärts bergauf zu laufen. Das stärkt die Hinterhand. Sehr behutsam kann man auch mal rückwärts bergab gehen – eine starke Vertrauensübung. Natürlich immer klein anfangen, 1-2 Schritte genügen für den Anfang.

Kleine flache Bäche können überquert oder wenn möglich übersprungen werden.

Ihr merkt, hier draußen könnt ihr euch alles zu nutze machen, was ihr findet. Und der positive Nebeneffekt, euer Pferd wird immer sicherer und nichts wird euch bei einem Ausritt mehr aufhalten können.


So ich hoffe, ich konnte den ein oder anderen ein bisschen inspirieren. Wer weitere Ideen hat, kann sie gern als Kommentar posten. Ich freue mich über jede Ergänzung. Vielen Dank auch nochmal, an alle, die meinem Aufruf gefolgt sind und Vorschläge für die Arbeit im Gelände abgegeben haben.

Rechtlich muss ich noch ergänzen, dass weder ich, noch sonst jemand haftet, für Schäden, die durch die vorgeschlagen Übungen enstehen. Vergesst bitte nicht Safety First und immer zuerst auf einem gesicherten Reitplatz erarbeiten und dann Schritt für Schritt nach draußen verlegen, dann dürfte auch nix schief gehen 😉

 

Bücher zum Thema:

Interview mit Pferdefachbuchautorin Karin Tillisch

Karin Tillisch arbeitet seit 20 Jahren als Fachjournalistin, Buchautorin und Fotografin der Pferdewelt. Neben bereits 10 veröffentlichten Pferdefachbüchern gibt Sie auch weltweit Kurse zum Thema Bodenarbeit, Freiheitsdressur, Longenarbeit sowie über einem vertrauensvollen Umgang mit dem Partner Pferd. Ein besonderes Highlight in ihrem Kursprogramm stellt der Indische Pferdetanz dar.


Linda: Liebe Karin, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst um mir und den Lesern ein paar Fragen zu beantworten. Wer war denn dein wichtigster Ausbilder oder Mentor und was von dem, dass du bei ihm gelernt hast ist dir bis heute in stetiger Erinnerung?

Karin Tillisch: Mein größter Mentor war und bleibt mein Opa, Josef Tillisch. Leider war ich noch sehr jung als er starb, doch ein Satz von ihm im Umgang mit Tieren , der prägt mein Tun und denken bis heute:

„Wenn Du Gewalt brauchst, dann machst Du es falsch“

Mein Opa war selbst ein großer Pferdefreund und war mit Pferden aufgewachsen und hatte in der Landwirtschaft auch täglich mit ihnen gearbeitet. Leider  wurden ihm in den Wirren des Zweiten Weltkrieges sein Hab und Gut entrissen, darunter auch seine kostbaren Pferde. Und später, als „normaler“ Arbeiter in einer Fabrik war wieder ein eigenes Pferd für ihn einfach ein unerreichbarer Traum. Dennoch kratzte er immer wenn ein Zirkus in der Stadt war seine Groschen zusammen und tuckerte mit seinem Motorrad hin. Die Vorführungen sah er sich selten an, er  ging einfach nur in die Tierschau um seinem großen Traum wenigstens ein paar Stunden etwas näher zu sein : ein weißer Araberhengst.
Als ich dann irgendwann groß genug war, da mietete er mehrmals die Woche Nachbars Shetlandponys für einen halben Tag und ging mit mir auf dem Pony auf der einen Seite und unserer Deutsch Kurzhaar Hündin Flora auf der anderen Seite stundenlang spazieren.  So kam ich denn auch aufs Pferd 🙂 .
Seinen Traum nach einem weißen Araber hat mein Opa mir übrigens nie erzählt – ich erfuhr es fast 20 Jahre nach seinem Tod von seinem jüngeren Bruder, der sich an diesen großen Wunsch erinnerte als ich ihm die ersten Bilder von Shadow zeigte. Da mag man nun an Schicksal und Karma glauben oder nicht… Onkel Adam war felsenfest davon überzeugt dass es Schicksal war das ich nun Opas Traum lebte : mit einem weißen Araber (na gut, Wallach, aber einer der meinte er wäre ein Hengst 🙂 ) durch die Lande zog und die Menschen mit unseren Kunststücken begeisterte.

In meiner Zeit als Pferdejournalistin traf ich die letzten 20 Jahre viele tolle Menschen und hervorragende Pferdetrainer. Doch am meisten beeinflusst in meiner Bodenarbeit mit den Pferden hat mich HEINZ WELZ.

Mit ihm führte ich vor  etwa 15 Jahren ein Interview für das Magazin Pferde Heute und durfte danach auch bei seinem Kurs als Zuschauer beiwohnen. Ich war fasziniert von seiner Arbeit mit den Pferden, aber auch wie er den Menschen erklärte was er tat. Seine Herangehensweise an die Round Pen Arbeit war eine völlig andere als die von Monty Roberts und als ich seine Methode an meinem Shadow ausprobierte reagierte er  auch wesentlich entspannter darauf als auch die Roberts Methode des Join Up. Im Lauf der Jahre  durfte ich noch an einigen Kursen von Heinz mit dabei sein und wir arbeiteten sogar an einigen Serien fürs Pferde Heute zusammen. Seine freundliche und direkte Art mit Pferd und Mensch hat mich nachhaltig beeindruckt und wir haben heute noch Kontakt.

Linda: Du gibst ja inzwischen selbst weltweit Kurse zu verschiedenen Themen, welches Gebiet macht dir persönlich am meisten Freude und warum?

Karin Tillisch: Das kann ich nicht genau sagen, da es auch immer auf die Teilnehmer und ganz besonders auf ihre Pferde ankommt. Und ehrlich gesagt würde ich Sachen, die mir selbst keine Freude bereiten, gar nicht erst ins Programm nehmen. Du kannst nur andere für etwas entflammen wenn du selber dafür brennst 🙂

Linda: Hast bei all den Kursen, die du gibst, gelegentlich mal Zeit für einen entspannten Ausritt?

Karin Tillisch: Sicherlich, ich toure ja nicht jedes Wochenende durch die Weltgeschichte. Ich habe 5 Burnouts hinter mir, ich habe dazu gelernt! Daher habe ich auch immer wieder „freie“ Wochenenden bewusst eingebaut in denen ich mit meiner Familie (und dazu gehören natürlich meine Pferde!) etwas unternehmen kann:
Ich gehe auch gerne im Sommer immer mal für eine Woche mit Shadow alleine in den Schwarzwald zu meinen Eltern und wir machen täglich entspannte Ausritte.

Linda: Welche Ziele hast du für die Zukunft?

Karin Tillisch: Ich will noch mehr von der Welt sehen und auch Pferdeleute aus ganz anderen Kulturen kennenlernen und mich mit ihnen austauschen. Mann kann nie genug sehen, erleben und wissen. Sehr gerne würde ich auch aus diesem Grund noch mehr Kurse im europäischen Ausland anbieten.

Momentan beschäftigen mein Mann und ich uns privat mit den  antiken Kampfkünsten zu Pferde, an dieses Thema kamen wir durch eine gemeinsame Freundin. Vielleicht wird sich dieses Hobby irgendwann in ein paar Jahren auch mal in einem entsprechenden Kursangebot bei mir niederschlagen, wir werden sehen.

Mit dem Pferdetanz war es ja genauso, diese Idee brachte mir meine werte Freundin Christiane Slawik von ihrer Fototour aus Indien mit. Was einige Jahre dann erst mal Shadows und mein privates Hobby war hat sich nun auch in mein Kurssystem integriert. Daher will ich nicht ausschließen dass das Thema  Horseback Archery und berittene Kampfkunst auch irgendwann den Sprung vom Hobby zum Beruf bei mir macht.

Und dann möchte ich einfach auch die nächsten 20 Jahre – oder länger 🙂 – weiterhin meine Bücher und Artikel in der Pferdefachpresse schreiben und hoffen dass ich auch weiterhin viele Menschen für meine „Sache“ begeistern kann. In dem neuen Magazin „Natural Horse“ von Hans Schmidtke – meinem Mentor in Sachen Pferdefachbücher –  habe ich hier einen tollen Partner der genau das Publikum anspricht das ich erreichen will. Ich bin gespannt was uns da die kommenden Jahre so alles bringen werden !

Linda: In deinem Buch „Reiten ohne Sattel und Zaumzeug“ (zur Rezension) zeigst du eine völlig zwanglose und schmerzfreie Reitweise. Wie lang hast du mit Shadow gearbeitet, bevor du ihn so reiten konntest?

Karin Tillisch: Das ging eigentlich recht schnell, da Shadow ja extrem clever ist. Ich schätze mal, die Basics saßen nach einem Jahr und dann dauerte es grob noch ein weiteres bis ich ihn auch am Halsring komplett durch einen Trailparcours reiten konnte. Piaffe und Co am Halsring kamen dann erst einige Jahre später dazu.

Linda: Kann prinzipiell jedes Pferd / Mensch Gespann ein solches harmonisches Miteinander lernen?

Karin Tillisch: Da würd ich mal gegenfragen : warum nicht?
Ich hab es jedenfalls bisher noch nicht erlebt dass es nicht gehen könnte. Natürlich ist jedes Pferd Mensch paar anders und hat eine andere Lebensgeschichte.

Karin Tillisch 2

Karin Tillisch beim Pferdetanz mit Shadow

Linda: Auf deiner Homepage schreibst du über den Indischen Pferdetanz und du gibst auch Kurse dazu. Wie bist du darauf gekommen und welchen Nutzen bringt diese Art des Trainings für mein Pferd?

Karin Tillisch: Wie schon erwähnt war das ein „Urlaubsmitbringsel“ meiner guten Freundin Christiane Slawik, der weltbekannten Pferdefotografin. Sie schickte mir schon als sie noch in Indien war Bilder per E Mail mit dem Vermerk : DAS MUSST DU MIT SHADOW MACHEN!
Und da ich Christiane und ihre Expetrise rund ums Pferd in den vielen Jahren, in denen wir für meine zahlreichen Cadmos Buchprojekte zusammengearbeitet hatten , sehr zu schätzen wusste…  probierte ich es mit Shadow aus. Und Shadow war vom tanzen vollauf begeistert!
Da es eigentlich keine Schriften zum Thema Horsedance gibt und dieses Wissen sowohl in den arabischen Ländern als auch Indien nur mündlich innerhalb der Familien weitergegeben wird, war es schon ein langer und zäher Weg hier ein paar Basics zu formen…. Und dann auch noch Basics die dem europäischen Kulturkreis, unserer Denkweise und unseren Pferden angepasst waren.
Mit einigen meiner  fortgeschrittenen Schülern, Trainingspferden und befreundeten Trainern testete ich meine Theorien und Ansätze zum Horsedance zunächst eine ganze Zeit lang ehe ich es dann ins Kursprogramm aufnahm. Die Resonanz seither ist überwältigend!

Linda: Eine letzte Frage noch, arbeitest du derzeit an einem weiteren Buch?

Karin Tillisch: Ja, und es wird dieses Jahr noch im Crystal Verlag erscheinen.   Wer genau wissen will was, der darf mich auf der equitana dieses Jahr am Crytsal Stand selber fragen. Ich bin Donnerstag – Sonntag dort. Mehr wird jetzt noch nicht verraten. Außer dass es wesentlich umfangreicher wird als meine bisherigen Bücher  und ein Thema behandelt das mir selbst sehr am Herzen liegt 🙂

 
Bücher von Karin Tillisch:
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Effektive Bodenarbeit mit dem Pferd im Gelände – Aufruf zur Diskussion

Der größte und vielseitigste Trainingsplatz, den man sich nur vorstellen kann, befindet sich außerhalb des Stallgeländes. Nirgends lernt das Pferd besser sich auszubalancieren, seinem Menschen zu Vertrauen, ihm überall hin zu folgen, Gefahren zu meistern und kann dabei noch gezielt die Muskulatur aufbauen, die es zwingend brauch, um seinen Reiter zu tragen. Aber auch ältere Pferde oder Youngster können im Gelände sinnvoll und gesunderhaltend beschäftigt werden.

Natürlich habe weder ich noch irgendjemand sonst das Rad neu erfunden. Viele von euch gehen mit ihrem Pferd spazieren, longieren es auf dem Feld oder wissen umgefallene Bäume als Bodenstange zu nutzen. Ich möchte hier gern eine Sammlung an Übungen zusammentragen und lade euch recht herzlich dazu ein, diese zu ergänzen. Damit möchte ich anderen die Chance geben sich Anregungen zu holen und sich inspirieren zu lassen. Gerne können auch die Ausrüstungsgegenstände diskutiert werden. Wer am Ende gerne seinen Namen unter den Autoren finden möchte, der kann das dazu sagen und wird natürlich berücksichtigt.

Hier könnt ihr mir euren Vorschlag schicken, gerne mit Bild, ist aber kein Muss 🙂

Sende mir deinen Vorschlag

Interview mit Britta Reiland: Bodenarbeit und Führtraining: So bleibt ihr Pferd gesund und fit

Britta Reiland arbeitet als Tierphysiotherapeutin und Tierakupunkteurin. In Ihrem Buch: “Bodenarbeit und Führtraining: So bleibt ihr Pferd gesund und fit” (2014, Verlag: Müller Rüschlikon, ISBN: 978-3-275-02005-8) beschreibt sie zahlreiche Führübungen, die im Alltag Pferd und Reiter fit und gesund halten. Zur Buchrezension…

In einem Interview hatte ich die Gelegenheit mal etwas genauer nachzufragen.


Linda: Hallo Britta, vielen Dank, dass du dir Zeit nimmst, um mir und allen Lesern einen kurzen Einblick in deine Arbeit und in dein Buch zu geben. Du arbeitest als Tierphysiotherapeutin und Tierakupunkteurin, worauf genau hast du dich spezialisiert?

Britta Reiland: Ein besonderes Anliegen sind mir die Bedürfnisse meiner Senioren-Patienten. Pferde und Hunde die in die Jahre gekommen sind, stellen ganz besondere Anforderungen an uns. Oft muss gerade bei diesen Hunden der gesamte Alltag umgestellt werden und auch ältere Pferde benötigen individuell angepasste Bedingungen. Die körperlichen Beschwerden zu lindern und ihr Tier so gesund und leistungsstark wie möglich zu halten ist ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. Dabei freue ich mich, wenn ich aus einer Vielzahl therapeutischer Möglichkeiten individuell auswählen kann. Gerade für ein älteres Tier ist jeder Tag anders und meine Aufgabe als Therapeut ist es, das richtige aus meinen therapeutischen Möglichkeiten auszuwählen und jeden Patienten ganzheitlich und losgelöst von festgefahrenen Behandlungsschemata wahrzunehmen.

Linda: Welche Erfolge konntest du mit deinen Methoden bereits erzielen? Fällt dir ein Patient ein, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Britta Reiland: Dies ist ein interessante Frage und ich würde gerne eine Gegenfrage in den Raum stellen: „Woran messen wir einen Behandlungserfolg?“ Das Behandlungsziel ist immer im Bezug zum jeweiligen Patienten zu sehen und oft genug gibt es Fälle, da ist an eine vollständige Genesung einfach nicht mehr zu denken. Aber: meine Behandlung ist immer dann erfolgreich, wenn die Lebensqualität meiner Patienten wieder hergestellt ist und wenn es Ihnen gelingt diese mit dem von mir vermittelten Wissen hoch zu halten und am besten noch weiter zu steigern. Manchmal sind es die kleinen Dinge, wie z.B. die Mobilisation einzelner Gelenke, die Ihrem Tier ein völlig neues Lebensgefühl geben, manchmal ist der Weg etwas länger, wenn ich z.B. mit Akupunktur ein immer wieder hustendes Pferd in seinen Abwehrkräften stärke und ihm dabei helfe seine verschleimten Atemwege wieder frei zu bekommen. Sichtbar werden Behandlungserfolge z.B. bei der Behandlung von Sehnenverletzungen mittels der Horizontaltherapie, wenn die Ultraschalluntersuchungen die Heilungsprozesse zeigen.

Ja, ich habe einen Patienten, der mir besonders in Erinnerung bleiben wird und wenn ich dies hier schreibe muss ich lächeln, weil er einer der „Grauschnautzen“ ist, die mein Herz berühren. Mittlerweile ist er stolze 14 ½ Jahre alt, er hat Spondylose, in einigen Gelenken zeigt sich Arthrose, seine Augen werden schwächer und seine Nieren mögen auch nicht mehr so richtig mitarbeiten. Er braucht viel physiotherapeutische Unterstützung und gerade bei ihm ist es gut, dass es viele Übungen gibt, die täglich vom Besitzer gemacht werden können. Neben einer strengen Diät zur Schonung der Nieren wird er regelmäßig mit Horizontaltherapie und Akupunktur begleitet und ja es gibt auch mal einen Tag, da fällt ihm das Aufstehen schwerer, als an den anderen. Aber wenn er voller Freude seinen Spaziergang macht oder im Sommer seine Runden im Wasser dreht, wenn er im Schlaf „galoppiert“ oder sich grunzend reckt und streckt, wenn er sich über jede Streicheleinheit freut und mit Eifer beim Tricksen und Trailen seine kleinen Aufgaben bewältigt, dann ist sein Leben schön! Und ich freue mich, dass ich dazu beitragen darf!

Linda: In deinem Buch gibst du allerhand Anregungen für gesunderhaltende Übungen vom Boden aus. Wie kamst du dazu ein Buch zu schreiben?

Britta Reiland: Oh, das ist eigentlich eine nette Geschichte. Irgendwann habe ich etwas gesucht, das ich meinen Kunden und ihren tierischen Begleitern an die Hand geben kann, damit sie weiter vom Boden aus so gymnastizieren, wie ich mir das vorstelle. Ich habe aber nichts gefunden, was meinen Vorstellungen entsprach. Tja und so, habe ich es selbst geschrieben.

“Ich wünsche mir, das ganze viele Leser Freude an der Bodenarbeit bekommen und hoffe, dass ich dazu beitragen kann, dass Ihr Pferd Ihnen Freude macht und so gesund und leistungsstark wie möglich ist.”

Linda: Wie hast du die einzelnen Übungen entwickelt?

Britta Reiland: Die meisten Probleme teilen viele Pferde miteinander, auch wenn diese sich im Detail individuell voneinander unterscheiden. Die Schwierigkeiten, die Ihr Pferd unterm Reiter oder bei der Bodenarbeit zeigt, haben nicht selten körperliche Ursachen. Mit dem entsprechenden Wissen um die Biomechanik des Pferdes und dessen physiologischen Bewegungsabläufen habe ich diese Übungen zusammengestellt. Die Kernfragendie dabei für mich wichtig sind sind folgende: Welches Problem habe ich? Wo kann dieses her kommen? Und welche Bewegungsabläufe muss ich korrigieren bzw. welche Muskelbereiche schulen oder entspannen? Wie kann ich die Bodenhindernisse nutzen, um mein Pferd zu den entsprechenden Bewegungsübungen zu veranlassen?

Linda: Du schreibst, dass die Übungen den jeweiligen Pferdetyp angepasst sein müssen. Wie erkenne ich, welchen Typ Pferd ich habe?

Britta Reiland: Ich weiß, dass der Einstieg in die gezielte Bodenarbeit gar nicht so einfach ist und so habe ich die Pferde in Gruppen mit immer wieder vorkommenden Problemen zusammengefasst. Wer sich mit meinem Buch beschäftigt, wird sein Pferd sehr aufmerksam wahrnehmen und kann anhand der Typenbeschreibungen einen guten Einstieg in die einzelnen Übungen finden. Im Laufe der Zeit ist es durchaus möglich, dass sie bemerken, wie ihr Pferd die zu Beginn gewählte Typenbeschreibung verlässt und in eine andere wechselt 😉

Linda: Was bringen mir die Führübungen im Hinblick auf Reiten?

Britta Reiland: ALLES, was ich mir im Umgang und vom Boden aus erarbeite, macht sich auch beim Reiten bemerkbar (das gilt leider auch für manche Probleme, die in den Alltagsübungen beschrieben werden). Ein sicherer und selbstbewusster Umgang im Alltag und korrekt erarbeitete Führübungen geben Ihnen und Ihrem Pferd, die Sicherheit und die Balance, die sie für ein harmonisch reitbares Pferd brauchen. Gleichzeitig gymnastizieren Sie wichtige Muskelgruppen und zeigen Ihrem Pferd gesunde Bewegungsabläufe, die es mit Ihnen an der Seite verinnerlichen kann, so dass diese unterm Sattel wie selbstverständlich umgesetzt werden.

Linda: Mithilfe der Führübungen soll das Pferd schonend lernen in einer gesunden Stellung zu laufen. Wie genau erreiche ich, dass mein Pferd in Stellung läuft?

Britta Reiland: Jetzt wäre es schön, wenn ich dies so erklären könnte, dass es mal so eben umzusetzen ist, nicht wahr? Leider ist das nicht ganz so einfach, weil mein Pferd erst dann korrekt in echter Stellung laufen kann, wenn ich mit ihm alle körperlichen Voraussetzungen erarbeitet habe. Aber ich kann ihm dies immer wieder anbieten und ihm Hilfestellung geben und werde merken, dass es im Laufe der Bodenübungen immer „biegsamer“ wird. Ich kann mein Pferd z.B. unterstützen, in dem ich es seitlich am Halfter anfasse und SANFT in die Stellung hinein locke. Folgendes darf ich nicht tun: Ich darf es nicht am Halfter zu mir ziehen! Ich darf mein Pferd nicht mit Kraft stellen! Ich darf nicht so viel Stellung fordern, dass es mit seiner Hinterhand ausschwenken muss, um auszugleichen! Ich darf nicht gegen mein Pferd arbeiten: Weigert es sich mir Stellung zu bieten, muss ich mich fragen, woran das liegen könnte. Meist ist die entsprechende Muskulatur noch nicht so weit, dass sie sich ausreichend dehnen kann oder es fehlt noch an Balance oder auch Vertrauen in mich als Führperson.

“Bei der Arbeit in Stellung gilt zu Beginn ganz sicher: Weniger ist mehr!”

Linda: Welches Zubehör, vor allem welche Zäumung würdest du für die Arbeit empfehlen?

Britta Reiland: Wenn ein Kappzaum genutzt wird ist die oberste Regel: Er muss optimal passen, im Zweifel sogar für den Pferdekopf angepasst sein. Hier empfehle ich jeden, sich vor Ort beraten zu lassen. Es gibt Pferdeköpfe, da passt einfach kein Eisen und manche die sich an den einfachen Nylonkappzäumen stören. Gut ist ein aus Leder gearbeiteter Kappzaum, weil sich da die Lochungen im Gegensatz zu anderen Materialien individuell anpassen lassen.

Der Strick sollte so lang sein, dass ich ihn locker in der Hand halten kann und mich auch ein Stück vom stehenden Pferd wegbewegen kann, aber er darf keinesfalls so lang sein, dass ich mich in der Handhabung gestört fühle und immer wieder umgreifen muss oder sogar darüber stolpere. Probieren Sie verschiedene Längen aus und wählen Sie die, die am besten zu Ihnen und Ihrem Pferd passt. Auch das Gewicht spielt ein Rolle. Ich persönlich habe bei manchen Pferden lieber einen schweren und bei anderen einen ganz leichten Strick in der Hand.

“Sie und Ihr Pferd sind ein Team: Wählen Sie die für Sie passenden Arbeitsmittel so aus, dass sie beide sich gut und sicher fühlen.”

Linda: Vielen Dank für deine ausführlichen Antworten. Noch eine letzte Frage, planst du eine Fortsetzung des Buches?

Britta Reiland: Mein Kopf ist voll mit weiteren Übungen, Tips und Tricks, die ich Ihnen so gerne in einem weiteren Buch vermitteln möchte, so dass eine Fortsetzung schon jetzt in Arbeit ist. Neben weiteren Übungen möchte ich insbesondere einen Weg in die gesunde Longenarbeit aufzeigen, bei dem Bodenhindernisse sinnvoll und einfach genutzt werden können.