Immer nur Fressen? Zwischen Motivation und Konsequenz beim Pferdetraining im Gelände
Wer kennt das Problem nicht… gerade im Frühjahr wenn die Zeit des Anweidens beginnt und überall das saftig grüne Gras empor sprießt, gerade dann verlockt die leckere Versuchung. An einen entspannten Spaziergang oder gar richtige Arbeit im Gelände ist kaum noch zu denken – ist man doch vielmehr damit beschäftigt den Kopf immer wieder nach oben zu verfrachten. Oder hat man längst resigniert und lässt sich einfach teilnahmslos von Grasbüschel zu Grasbüschel schleifen…? Vielleicht habe ich den ein oder anderen Nerv getroffen, oder aber ihr kennt das Problem gar nicht oder habt bereits eure eigene Strategie damit umzugehen. Was ich euch in diesem Artikel gerne beschreiben möchte, ist eine Strategie das saftige Grün in eure Arbeit mit einzubauen – ja es gar als Motivationshilfe zu nutzen. Ich selbst bin ein Verfechter des Futterlobs, denn nichts ist entspannender für ein Pferd als zu kauen – und da kommt uns das Gras zu gute. Allerdings sage ich gleich vorab, dass sich dieser Ansatz nicht für Pferde eignet, die aus welchem Grund auch immer auf Diät sind und kein Gras fressen dürfen. Was könnt ihr damit erreichen?
- Entspannte Spaziergänge über eine Wiese, ohne lästige Fressversuche
- Konzentrierte Arbeit im Gelände – ohne Fressversuche
- Ausreiten – ohne dass der Kopf ständig und unvermittelt nach unten schellt
- Ein motiviertes Pferd, dass die Arbeit im Gelände mit euch gemeinsam genießt
- Anweiden in das Training gekonnt mit einbauen.
Kurz noch einmal vorab – übt bitte auf einer Wiese, auf welcher ihr die Erlaubnis dafür habt. Je höher und verlockender das Gras, desto besser für das Training – jedoch ärgerlich für den Bauern, falls er damit Heu machen möchte. Deswegen bitte vorab fragen 🙂
Was brauche ich dafür alles? Zunächst starte ich selbst mit einem gut sitzenden Knotenhalfter und einem etwa 3 m langen Strick. Zusätzlich verwende ich zunächst eine kurze Gerte, die schön leicht ist für unterwegs und mir als verlängerter Arm und Touchierhilfe dienen soll.
Das Vorgehen gliedert sich in 3 Phasen:
- Einführung von 2 Kommandos: Wiese erlaubt das Fressen – Stimmkommando und Geste nach unten. Weiter beendet das Fressen kontrolliert und unmittelbar. Hierbei könnt ihr euch die konkreten Wörter natürlich selbst aussuchen. Wichtig ist wie bei jeder Lektion, dass ihr bei einem Kommando inkl. der dazugehörigen Körpergeste bleibt. Auch ist es von Beginn an wichtig, dass unmittelbar auf das Kommando eine Reaktion des Pferdes erfolgt. Gerade das Kommando Wiese ist dabei meist sehr schnell etabliert und wird gerne vom Pferd angenommen. Das Kommando Weiter ist da schon etwas schwieriger. Gleich vorab – Tauziehen mit dem Pferdekopf ist hierbei der falsche Weg, um das Fressen zu beenden. Hierbei schaue ich mir sehr gerne an, wie innerhalb der Herde ranghöhere Pferde andere vom Fressen abhalten. Dies gescheit über zwei Wege – a) Körpersprache –gezieltes und dominantes Entgegentreten b) das Zwicken vor allem im hinteren Bereich des Körpers. Das machen wir uns zu Nutze und kopieren dieses Zwicken in Form von gezieltem touchieren mit der Gerte im hinteren Bereich und straffen loslaufen, idealerweise bringt man das Pferd beim Loslaufen etwas aus dem Gleichgewicht, indem man die Laufrichtung etwas ändert – das hilft vor allem am Anfang. Hier gilt der Grundsatz am Anfang ruhig so energisch wie möglich und je schneller und besser das Pferd reagiert, desto feiner wird die Hilfe. Irgendwann reicht das Kommando Weiter vollkommen aus und das Pferd läuft direkt los. Zum Üben der Grundkommandos reicht es zunächst über eine Wiese zu laufen und im Wechsel das kontrollierte Fressen mit dem Abbruch zu üben. Während der Laufphase ist es wichtig, dass man unerwünschtes Fressen konsequent und unmittelbar unterbindet. Auch dafür kann die Gerte genutzt werden, ein kurzer und effizienter Einsatz der Gerte ist viel verständlicher und natürlicher für das Pferd, als ein Tauziehen am Pferdekopf.
- Das Einbinden von anderen Übungen in das Training: Hierbei sind eurer Kreativität keine Grenzen gesetzt. Alle Übungen, die ihr in der Bodenarbeit kennt und könnt, können nun im Gelände trainiert werden. Dabei wird zunächst immer erst eine Übung durchführt und bei korrekter Umsetzung durch eine kurze Fresspause (2-3 sek.) belohnt. Am besten fängt man hier mit leichten Übungen an, damit das Pferd bereits zu Beginn viele positive Erlebnisse hat. Wichtig ist, dass kontrolliert das Fressen eingeleitet und konsequent beendet wird. Beim Beenden kann man ruhig ein paar Laufschritte einbauen, bevor man zur nächsten Übung wechselt. In diesem Schritt merkt man schnell, wie das Pferd, durch die gezielte Befriedigung des Bedürfnisses das leckere grüne Gras zu fressen, zunehmend motivierter wird.
- Im dritten Schritt verlängert man die Abstände zwischen den Übungen indem man ganz entspannt spaziert. Zwischendurch ruft man eine Übung ab und belohnt kurz und weiter geht’s. Durch unterschiedlich lange Abstände zwischen Belohnung und Abrufen einer Aufgabe erhält man das Aufmerksamkeitslevel, ohne dass das Pferd jedoch permanent versucht sich anzubieten. Es merkt schnell, dass es keinen Einfluss darauf hat, wann eine Übung gefordert wird und wartet geduldig ab, bis es soweit ist.
Dieses Grundprinzip kann man nun auch auf andere Bereiche Anwenden, wie beispielsweise beim Longieren, beim Reiten oder bei der Lösung von speziellen Problemen. Der einzige Nachteil ist, im Winter muss man dann wieder auf die herkömmlichen Leckerlies zurückgreifen 😀
Ich persönlich finde an diesem Ansatz gut, dass eine eigentlich als negativ verrufene Unart – das Fressen – zum positiven umfunktioniert wird. Somit gibt man dem Pferd trotz Training erneut ein Stück natürliches Verhalten zurück – denn es darf tun, was es ohne uns auf der Wiese auch tun würde – nur eben erst dann, wenn wir es als Leittier bestimmen. Ich freue mich auf eure Meinung zu dem Thema 🙂
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