Rezension: Die Persönlichkeit meines Pferdes von Jenny Wild und Peer Classen
Es ist wahrlich kein Geheimnis – ich bin ein großer Fan von Jenny Wild und Peer Claßen und habe bereits alle drei anderen Bücher für euch rezensiert: Übungsbuch Natural Horsemanship (zur Rezension) 2) Von Pferden lernen, sich selbst zu verstehen: Durch Selbsterkenntnis zum Pferdeverständnis (zur Rezension) 3) Sicher und frei reiten mit Natural Horsemanship (zur Rezension)
Gemeinsam mit Ihrem Sohn Henry begeistern Sie auf Ihren Kursen und auf Messen mit harmonischen Freiheitsdressur- und Bodenarbeitsvorführungen. Ihr Fokus liegt dabei stets auf einer tiefen Vertrauensbasis zwischen Pferd und Mensch. Die Grunddevise ist dabei stets der faire und respektvolle Umgang mit dem vierbeinigen Freund auf Basis des Natural Horsemanships. Ihr neustes Buch Die Persönlichkeit meines Pferdes: Mit Typbestimmung und passenden Übungen liefert wie gewohnt eine sehr harmonische und vor allem pferdegerechte Sichtweise auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Charakterzüge unserer Vierbeiner. In Anlehnung an Parellis Horsenality’s liefern die beiden hier eine vollkommen neue und verständliche Typisierung von Pferden und verknüpfen diese mit den Besonderheiten im alltäglichen Umgang und Training.
Das Buch erscheint wie gewohnt sehr hochwertig im Hardcover Umschlag. Es besteht aus 205 Seiten in fünf Kapiteln untergliedert. Dabei sorgen neben den zahlreichen Fotos die zusätzlichen digitalen Inhalte, welche über die Kosmos -Plus-App angeschaut werden können für ein multimediales Highlight. Es geht im Wesentlichen zunächst um ein grundlegendes Verständnis der Sicht- und Trainingsweise von Jenny und Peer. Im Anschluss werden die einzelnen Persönlichkeiten und die Einordnung der eigenen Beobachtungen behandelt. Abgeleitet von dem jeweiligen Pferdetyp geht es nun an die individuellen Bedürfnisse des Pferdes und die notwendige Herangehensweise des Menschen. Zum Schluss werden noch zahlreiche Übungen zur Motivation je Typ vorgestellt. Wer Jenny und Peer bereits kennt, weiß, dass Motivation und das Pferd auf freiwilliger Basis zu einem “Ja” zu bewegen, zu ihrem Spezialgebiet zählen. Insgesamt sind die Texte wie immer sehr verständlich geschrieben. Dabei wird man automatisch mitgerissen und betrachtet sich von der ersten Zeile an selbst kritisch – ohne sich dabei beleidigt zu fühlen. Die Übungen sind sehr verständlich beschrieben und gemeinsam mit Foto und Videomaterial einfach nachzumachen. Betrachten wir nun die Inhalte im Detail…
Seien wir mal ehrlich – Pferde haben doch wirklich kaum Entscheidungsfreiheiten. Wir bestimmen über ihre Lebensumstände, über ihren Tagesablauf und nicht zu letzt darüber, wie es in bestimmten Situationen zu reagieren hat. Wie oft hat unser Pferd denn tatsächlich mal die Möglichkeit “Nein” zu sagen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das erste Kapitel (Wild & Claßen, 2019, S.6ff). Doch genau diese Herangehensweise unterscheidet Jenny und Peer von den meisten gängigen Trainern der heutigen Pferdewelt. Zunächst an sich selbst arbeiten, anstatt immer nur am Pferd stellt dabei die größte Herausforderung dar:
“Ein Reiter ohne Pferd ist zwar nur ein Mensch, aber ein Horseman ohne Pferd bleibt ein Horseman. Schließlich kann man auch ohne Pferd ganz hervorragend an sich selbst arbeiten, seine eigenen Überzeugungen und seinen Standpunkt kritisch hinterfragen, seinen Fokus trainieren, sich seine inneren Bilder bewusster machen und an vielen anderen wichtigen Horseman-Eigenschaften feilen” (Wild & Claßen, 2019, S. 15)
Um wirklich vollends auf unser Pferd einzugehen und ihm in jeder Situation ein vertrauensvoller Partner zu sein wird ein hohes Maß an Achtsamkeit und mentaler Selbstkontrolle vorausgesetzt (Übungen dazu auch hier: Think positive). Die Bedürfnisse unseres Pferdes kollidieren im Alltag des öfteren mit unseren Erwartungen. Um eine wirkliche Bindung einzugehen müssen wir lernen mehr zuzuhöhren und den individuellen Bedürfnissen Beachtung zu schenken, anstatt einfach nur Stur unseren Willen aufzwingen zu wollen:
“Dem Pferd als vermeintlich stummes Wesen einfach seinen Willen aufzuzwingen ist eben so viel einfacher, als tatsächlich zuzuhören.” (Wild & Claßen, 2019, S. 17)
Wir genau wir das Beobachten lernen und wie wir das Gesehene deuten und dadurch zum besseren Miteinander gelangen lernen wir im zweiten Kapitel.
Den Umgang in der heutigen schnelllebigen Zeit einfach mal entschleunigen – klingt simpel – ist aber sehr ungewöhnlich, denn wie oft sind wir tatsächlich bei unserem Pferd ohne eine konkrete Vorstellung, was wir tun/erreichen wollen…? Dem Hier und jetzt Beachtung zu schenken, ohne konkrete Erwartungen ist die erste Voraussetzung für das Kennenlernen der Persönlichkeit des Pferdes.
“Ohne Zielvorgangen bei seinem Pferd zu sein, fällt den meisten Menschen daher sehr schwer, ja es würde ihnen nie in den Sinn kommen. Pausenlos halten wir es für notwendig, Einfluss zu nehmen, die Pferde herumzukommandieren, sie zu verändern oder zu verbessern. Zudem sind wir viel zu kritisch und mit nichts zufrieden, was wir von unseren Pferden bekommen. Deswegen muss man Beobachten ohne Erwartungen üben!” (Wild & Claßen, 2019, S.22/23)
Dabei schenken wir unserem Pferd ohne es zu merken, ein sehr großes Privileg – einen Moment der gemeinsamen Ruhe. Dann haben wir die Möglichkeit unser Pferd erstmal richtig kennenzulernen, seine Mimik, seine Körpersprache, sein Verhalten. So sammeln wir die Puzzleteile für eine grobe Einordnung der individuellen Persönlichkeit (vgl. Wild & Claßen, 2019, S.23ff).
Ist mein Pferd sicher oder eher unsicher, ist es intro- oder extrovertiert und wie sieht es mit seinem Bewegungsdrang aus? Diese Fragen führen zur Einordnung der individuellen Persönlichkeit des Pferdes und bestimmen sein Training maßgeblich (vgl. Wild & Claßen, 2019, S.30ff).
Im weiteren Verlauf des Buches gehen die Autoren auf jeden Typ im Detail ein und erläutern, was man genau beachten muss und wie man sein Pferd motiviert. Motivieren anstatt zwingen. Wer Jenny und Peer kennt, der weiß, dass ihr Ausbildungsprinzip einen fairen Umgang voraussetzt und das die richtige Kommunikation der Schlüssel zu einem gesunden Miteinander ist.
FAZIT
Tja wie sollte es anders sein – natürlich bekommt ihr eine klare Kaufempfehlung. Wenn auch dieses Buch für mich persönlich kaum neue Trainingsmethoden liefert, so ist es dennoch eine wertvolle und ergänzende Betrachungsweise in Sachen Pferdepsychologie. Es hilft beim Verständnis und bei der Reflektion so mancher Situation im Alltag und liefert Strategien zur Lösung von Problemen.
“Unsere kleinschrittige und penible Art, das Lernen und Lehren mit den Pferden zu erklären, mag manch einem übertrieben vorkommen. Doch es ist ebenso spannend wie notwendig, jedenfalls, wenn man ein aufrichtiges Interesse daran hat, Pferde zu verstehen.” ( Wild & Claßen, 2019, S194).
Und das bildet die Grundlage für alles, was man sich im Pferdesport vornimmt. Wer sein Pferd versteht und mit ihm auf einer Ebene kommuniziert, für den gibt es keine Probleme, keine Hindernisse, sondern nur neue Aufgaben.
Originaltitel: | Die Persönlichkeit meines Pferdes – Mit Typbestimmung und passenden Übungen |
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Autor: | Jenny Wild & Peer Claßen |
Verlag: | Komsos |
Ort: | Stuttgart |
Jahr: | 2019 |
ISBN: | 978-3-440-15717-6 |
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