Gedanken über ein artgerechtes Leben für mein Pferd
„Was zeichnet ein gutes Leben für mein Pferd überhaupt aus?“
In dem Wort „gut“ verbirgt sich ein großer Interpretations-Spielraum:
Was der Eine als „gut“ für sein Pferd empfindet, muss der Andere bei weitem nicht befürworten und umgekehrt ebenfalls. Beide Ansichten sind jedoch „anthropozentrisch“ und werden es auch bleiben. Damit ist nicht unbedingt gemeint, dass wir uns egoistisch gegenüber unseren Tieren verhalten, sondern, dass wir als Menschen nun einmal die Welt als Mensch wahrnehmen und nach unseren Bedürfnissen gestalten. Sobald wir aber ein anderes Lebewesen in unsere Obhut begeben, haben wir die Verantwortung, meines Erachtens sogar die Verpflichtung den Bedürfnissen von jenem gerecht zu werden. Aufgrund der Tatsache, dass wir Menschen sind, können wir uns bloß vorstellen, wie sich unser Tier in einer bestimmten Situation fühlt, was es jedoch für das einzelne Tier wirklich konkret bedeutet, das können wir nur erahnen.
Als Kind spielte ich „Hund“ und imitierte meine Hunde, dennoch konnte ich nie erfahren können, wie sie die Welt sehen. Oft habe ich mir gewünscht für einen Tag ein Hund zu sein oder dass Tiere mit uns sprechen könnten. Besonders als Charly letztes Jahr unklar lahm war, hätte ich mir nichts lieber gewünscht als dass er mir sagen könnte, wo er Schmerzen und wie intensiv hatte. Abgesehen davon, fällt es uns Menschen oft schon schwer sich in einen anderen Menschen zu versetzen, gerade was Empfindungen betrifft. Selbst wenn wir als Mensch für solche Eindrücke scharf umrissene Umschreibungen finden. Man darf sich in diesem Fall nicht durch die verwendeten sprachlichen Formen in die Irre führen lassen. Es sollte nicht davon ausgegangen werden, dass Substantive für Empfindungen etwas in ähnlicher Form bezeichnen, wie es beispielsweise Ausdrücke für materielle Gegenstände in Raum und Zeit tun, denn sie haben schließlich kein konkretes, sichtbares Bezugsobjekt. Deshalb ist die Funktion der sprachlichen Bezeichnungen für Empfindungen wesentlich schwieriger zu beschreiben, da sie erst einmal subjektiv sind. Im allgemeinen Sprachgebrauch können wir durchaus wissen, wenn man Schmerzen hat, wie zum Beispiel die Mutter um die Schmerzen ihres Kindes, da es „Aua“ oder ähnliches sagt. Wie können wir dann ein gutes Leben für unser Pferd bestimmen, wenn das andere Lebewesen sich uns nicht immer eindeutig mitteilen kann, da es nicht „unserer“ Sprache fähig ist?
Wie oben schon erwähnt, ist „gerecht werden“ das Stichwort:
Ersetzen wir gut durch „artgerecht“. Die Eigenheiten der Spezies „Pferd“ berücksichtigen und Parameter finden, an denen wir uns orientieren können und nicht an Aspekten, die wir vermeintlich gern hätten. Nach § 2 des Tierschutzgesetzes muss, wer ein Tier hält, es seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, und er darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen, vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.
Da ein Pferd ein Herdentier ist, ist die Einzelhaltung ohne sozialen Partner nicht verhaltensgerecht. Das Pferd ist von Natur ein Schritt-Tier, dass sich bis zu 16 Stunden langsam bewegt. In unserer Haltung müssen wir demnach dem Pferd zusätzliche Bewegung (neben Reiten, Fahren etc.) verschaffen. Dem Pferd ist so häufig als möglich Weidegang zu gewähren, da es seinem natürlichen Lebensraum am ehesten entspricht. Das Futter muss dem Bedarf des Pferdes entsprechen. Zur artgemäßen Ernährung des Pferdes gehört ein ausreichender Teil an strukturiertem Futter. Besteht kein freier Zugang zum Raufutter, muss es mindestens dreimal täglich verabreicht werden. Futteraufnahme ist auch Beschäftigung! Die Atemwege des Pferdes reagieren auf Staub und Schadstoffen sehr empfindlich! Für ausreichende Frischluftversorgung und angemessene Luftzirkulation muss gesorgt sein. Staub- und Keimgehalt, relative Luftfeuchte und Schadgaskonzentration müssen in einem Bereich gehalten werden, der für die Pferdegesundheit unbedenklich ist.
Zusammenfassend ist zu nennen, dass sich aus der Sicht des Tierschutzes viele Anforderungen an der Tierhalter ergeben:
Durch entsprechendes Management muss eine artgerechte Haltung sichergestellt werden. Unter anderem. muss jedem Pferd ausreichend Bewegung verschafft werden, eine tägliche Kontrolle auch hinsichtlich von Krankheitsursachen mit anschließender rechtzeitiger Hinzuziehung eines Tierarztes, ausreichende Fütterung, und entsprechender Erziehung, damit entsprechende Pflegemaßnahmen und Untersuchungen überhaupt möglich sind. Bei der Gestaltung der Haltungsmöglichkeiten sollten entsprechende Richtmaßen hinsichtlich Grundfläche der Laufställe bzw. von Abtrennungen etc. bekannt sein und als Mindestvorgaben eingehalten sein (vgl. www.pferdeleben.de).
Da ich als Pferdebesitzer verantwortlich für mein Pferd bin, treffe ich eigene Entscheidungen, die für mich selbst vertretbar sein müssen. Leider rechtfertigen einige mit diesem Standpunkt, dass sie ihr Pferd so oder so behandeln. Das Problem fängt bei dem Wörtchen „mein“ an, da wir meines Erachtens kein Pferd besitzen können, wie zum Beispiel ein Auto. Fatalerweise wird auch im Gesetz ein Tier immer noch als Sache gehandhabt. Wird zum Beispiel ein Kind überfahren, empfinden viele das als wesentlich schlimmer, als wenn eine Katze überfahren wird, es sein denn es ist ihre eigene und haben somit einen Selbstbezug. Denken wir da nicht verkehrt? Der Wert eines Lebens bemisst sich doch nicht an der Spezies. In diesem Zusammenhang möchte ich noch erwähnen, dass ich es nicht nachvollziehen kann, dass sich viele Reiter empört darüber aufregen, wenn jemand Pferdefleisch ist, aber selbst zum Beispiel Schwein essen. Meiner Meinung nach darf kein Unterschied gemacht werden, in beiden Fällen wird ein Lebewesen getötet.
Ich hoffe, dass ich euch mit meinen Gedankengängen etwas zum Nachdenken anregen konnte und ihr aktiv werdet, wenn ihr ein anderes Lebewesen (ob Mensch oder Tier) leiden seht. Sie werden es euch auf ihre eigene Art und Weise danken!
Eure Alex