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Umdenken im Pferdetraining – Strategie zur Lösung eines Problems

Z. ist ein Pferd, dass sehr intelligent ist. Er lernt sehr schnell. Er will gefallen. Er setzt das Gelernte häufig schon fast etwas hektisch um.

Wenn er etwas nicht möchte, so wird er schnell itzig (sächsisch für bockig 🙂 ). Das ist der absolut richtige Begriff für seine Reaktion. Er ist kein bösartiges Pferd – so etwas gibt es meiner Meinung nach nicht. Pferde, die unerwünschtes Verhalten zeigen, sind meiner Meinung nach entweder überfordert, unterfordert, verängstigt oder itzig. Itzig ist in dem Fall keine vorüberlegte Reaktion, sondern ein natürliches Abwehrverhalten des Pferdes gegenüber Handlungen, die es nicht möchte. Die Gründe für das “nicht möchten” können natürlich variieren. So kann Angst oder Überforderung ein Grund für itziges Verhalten sein. In Z. Fall kommt hinzu, dass er sehr jung und unerfahren ist. Er ist in einer Phase seiner Ausbildung, in der er lernt, wo sein Platz in der Welt ist. Das wirkt sich auf der Koppel aus – in Rangfolge-Konflikten, aber auch bei der Ausbildung aus. Er ist stets gutmütig und lernt gern, aber gelegentlich stellt er die Aufgabe auch in Frage. Das zeigt sich bereits sehr früh durch kleine Abwehrreaktionen, die nicht weiter dramatisch sind. So reagiert er beispielsweise auf leichten Zug am rechten Zügel mit einem Gegenzug in die andere Richtung. Das lässt sich sehr leicht durch touchieren der linken Schulter mit der Gerte lösen. Den Zug zu verstärken bringt absolut nichts, denn schlussendlich ist er der Stärkere.

Nun kommen wir aber zu dem Punkt, wo es wirklich kniffelig wird: Ich spreche von der Situation, in der er eine Lektion partout nicht ausführen möchte. Das muss nichts Schweres oder Neues sein. Ganz im Gegenteil, neue Lektionen sind für ihn immer spannend und interessant. Es handelt sich eher um Situationen, die so schon immer funktioniert haben, jedoch in diesem Moment einfach nicht gewollt sind. Natürlich handelt es sich hierbei um eine Art des Austestens. Er schmiedet keine Pläne, er will mich auch nicht ärgern. An solche menschlichen Eigenschaften glaube ich nicht. Nein es ist vielmehr ein kleines Rangspiel, dass er auch auf der Koppel regelmäßig auslebt. Will er beispielsweise aus der Heuraufe neben der Chefin fressen, so tastet er sich Stück für Stück heran und wartet auf ihre Reaktion. Und genau so ist es beim Reiten. Stück für Stück wird er nachlässiger und wartet auf meine Reaktion. Ich bin kein Freund vom gewaltvollen Durchsetzen. Natürlich wäre das das ein Weg gleich zu Beginn mit voller Härte auf ihn einzuwirken. Aber das möchte ich nicht. Das ist nicht die Art von Beziehung oder Ausbildung, die ich umsetzen möchte.

Eine Regeln aus dem NHS besagt, dass wenn das Pferd unerwünschtes Verhalten zeigt, so soll man dieses Verhalten solange herauskitzeln, bis es sich zum positiven Wendet (das kann bereits die kleinste positive Reaktion sein) und dann hört man sofort auf und gibt dem Pferd einen Moment Ruhe zur Belohnung.

Diesen Grundlegenden Ansatz möchte ich auf meine eigene Art umsetzen. Der Plan ist nun Folgender: Wenn Z. sich einer Lektion entzieht, so muss ich rechtzeitig und gleich zu Beginn daran arbeiten, dass er diese Lektion und wenn es nur ein Bruchteil davon ist – ausführt. Zunächst möchte ich jedoch folgendes tun. Ich gehe zunächst einen Schritt zurück und übe etwas, was er ganz sicher beherrscht und auch gerne umsetzt. Dann kehre ich zu meiner gewünschten Lektion zurück und führe diese jedoch nur zur Hälfte aus. Wenn er das gut macht, so gönne ich ihm eine Pause und mache im Anschluss wieder leichte Übungen. Dann kehre ich erneut zur schwierigen Lektion zurück und führe diese zu dreiviertel aus. usw. Solange bis wir 100% schaffen. Zeigt er Abwehrverhalten, so kitzel ich jeweils 1% mehr heraus, als er bereit ist zu geben und breche dann ab. Das Schwierige dabei ist, jeweils die richtigen Momente abzupassen, in denen ich aufhöre. Ich muss auf die kleinsten Signale achten, die er mir gibt. Zum Glück kenne ich ihn inzwischen so gut, dass ich genau spüre, wann er spannig wird und wann er entspannt.

Nochmal kurz die Erläuterung an einem Beispiel: Neulich wollte er bei der Trabarbeit auf der rechten Hand über die innere rechte Schulter abwenden. Ihm fällt es sehr schwer auf der rechten Hand zu traben, da er Linkshänder ist. Trotzdem müssen wir auch die rechte Hand üben, ich blieb also dran. Ich löste das Problem durch starken Schenkelkontakt innen und touchierte gleichzeitig die innere Schulter mit der Gerte, in dem Moment, als er anfing sich zu stark nach innen zu Biegen. Allerdings führte das nur dazu, dass er gegen hielt und immer schneller wurde. Bis er schließlich ein bisher komplett neues Verhalten zeigte. Er beginn zu bocken und zwar so stark, dass ich Mühe hatte, mich im Sattel zu halten. Diese Reaktion zwang mich zum Umdenken. Deshalb nun der Plan nach meiner neuen Strategie. Trabarbeit auf der rechten Hand jeweils nur für ein paar Trabsprünge. Schrittweise erhöhen. Bei Abwehr noch einen Schritt mehr fordern und dann aufhören und eine andere Übung machen. Setzt er die gewünschte Schrittzahl gut um, dann gibt es eine Ruhepause und wir wechseln wieder zu einer anderen Übung. Insgesamt sollte ich mir vorher genau überlegen, wie wieder Trabsprünge ich maximal in dieser Übungseinheit fordere. Damit wir ein gerechtes Ende finden und nicht unendlich weiter erhöhen. Zusätzlich üben wir natürlich auch vom Boden, damit er sein Problem auf der rechten Hand muskulär überwinden kann.

Interview mit Britta Reiland: Bodenarbeit und Führtraining: So bleibt ihr Pferd gesund und fit

Britta Reiland arbeitet als Tierphysiotherapeutin und Tierakupunkteurin. In Ihrem Buch: “Bodenarbeit und Führtraining: So bleibt ihr Pferd gesund und fit” (2014, Verlag: Müller Rüschlikon, ISBN: 978-3-275-02005-8) beschreibt sie zahlreiche Führübungen, die im Alltag Pferd und Reiter fit und gesund halten. Zur Buchrezension…

In einem Interview hatte ich die Gelegenheit mal etwas genauer nachzufragen.


Linda: Hallo Britta, vielen Dank, dass du dir Zeit nimmst, um mir und allen Lesern einen kurzen Einblick in deine Arbeit und in dein Buch zu geben. Du arbeitest als Tierphysiotherapeutin und Tierakupunkteurin, worauf genau hast du dich spezialisiert?

Britta Reiland: Ein besonderes Anliegen sind mir die Bedürfnisse meiner Senioren-Patienten. Pferde und Hunde die in die Jahre gekommen sind, stellen ganz besondere Anforderungen an uns. Oft muss gerade bei diesen Hunden der gesamte Alltag umgestellt werden und auch ältere Pferde benötigen individuell angepasste Bedingungen. Die körperlichen Beschwerden zu lindern und ihr Tier so gesund und leistungsstark wie möglich zu halten ist ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. Dabei freue ich mich, wenn ich aus einer Vielzahl therapeutischer Möglichkeiten individuell auswählen kann. Gerade für ein älteres Tier ist jeder Tag anders und meine Aufgabe als Therapeut ist es, das richtige aus meinen therapeutischen Möglichkeiten auszuwählen und jeden Patienten ganzheitlich und losgelöst von festgefahrenen Behandlungsschemata wahrzunehmen.

Linda: Welche Erfolge konntest du mit deinen Methoden bereits erzielen? Fällt dir ein Patient ein, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Britta Reiland: Dies ist ein interessante Frage und ich würde gerne eine Gegenfrage in den Raum stellen: „Woran messen wir einen Behandlungserfolg?“ Das Behandlungsziel ist immer im Bezug zum jeweiligen Patienten zu sehen und oft genug gibt es Fälle, da ist an eine vollständige Genesung einfach nicht mehr zu denken. Aber: meine Behandlung ist immer dann erfolgreich, wenn die Lebensqualität meiner Patienten wieder hergestellt ist und wenn es Ihnen gelingt diese mit dem von mir vermittelten Wissen hoch zu halten und am besten noch weiter zu steigern. Manchmal sind es die kleinen Dinge, wie z.B. die Mobilisation einzelner Gelenke, die Ihrem Tier ein völlig neues Lebensgefühl geben, manchmal ist der Weg etwas länger, wenn ich z.B. mit Akupunktur ein immer wieder hustendes Pferd in seinen Abwehrkräften stärke und ihm dabei helfe seine verschleimten Atemwege wieder frei zu bekommen. Sichtbar werden Behandlungserfolge z.B. bei der Behandlung von Sehnenverletzungen mittels der Horizontaltherapie, wenn die Ultraschalluntersuchungen die Heilungsprozesse zeigen.

Ja, ich habe einen Patienten, der mir besonders in Erinnerung bleiben wird und wenn ich dies hier schreibe muss ich lächeln, weil er einer der „Grauschnautzen“ ist, die mein Herz berühren. Mittlerweile ist er stolze 14 ½ Jahre alt, er hat Spondylose, in einigen Gelenken zeigt sich Arthrose, seine Augen werden schwächer und seine Nieren mögen auch nicht mehr so richtig mitarbeiten. Er braucht viel physiotherapeutische Unterstützung und gerade bei ihm ist es gut, dass es viele Übungen gibt, die täglich vom Besitzer gemacht werden können. Neben einer strengen Diät zur Schonung der Nieren wird er regelmäßig mit Horizontaltherapie und Akupunktur begleitet und ja es gibt auch mal einen Tag, da fällt ihm das Aufstehen schwerer, als an den anderen. Aber wenn er voller Freude seinen Spaziergang macht oder im Sommer seine Runden im Wasser dreht, wenn er im Schlaf „galoppiert“ oder sich grunzend reckt und streckt, wenn er sich über jede Streicheleinheit freut und mit Eifer beim Tricksen und Trailen seine kleinen Aufgaben bewältigt, dann ist sein Leben schön! Und ich freue mich, dass ich dazu beitragen darf!

Linda: In deinem Buch gibst du allerhand Anregungen für gesunderhaltende Übungen vom Boden aus. Wie kamst du dazu ein Buch zu schreiben?

Britta Reiland: Oh, das ist eigentlich eine nette Geschichte. Irgendwann habe ich etwas gesucht, das ich meinen Kunden und ihren tierischen Begleitern an die Hand geben kann, damit sie weiter vom Boden aus so gymnastizieren, wie ich mir das vorstelle. Ich habe aber nichts gefunden, was meinen Vorstellungen entsprach. Tja und so, habe ich es selbst geschrieben.

“Ich wünsche mir, das ganze viele Leser Freude an der Bodenarbeit bekommen und hoffe, dass ich dazu beitragen kann, dass Ihr Pferd Ihnen Freude macht und so gesund und leistungsstark wie möglich ist.”

Linda: Wie hast du die einzelnen Übungen entwickelt?

Britta Reiland: Die meisten Probleme teilen viele Pferde miteinander, auch wenn diese sich im Detail individuell voneinander unterscheiden. Die Schwierigkeiten, die Ihr Pferd unterm Reiter oder bei der Bodenarbeit zeigt, haben nicht selten körperliche Ursachen. Mit dem entsprechenden Wissen um die Biomechanik des Pferdes und dessen physiologischen Bewegungsabläufen habe ich diese Übungen zusammengestellt. Die Kernfragendie dabei für mich wichtig sind sind folgende: Welches Problem habe ich? Wo kann dieses her kommen? Und welche Bewegungsabläufe muss ich korrigieren bzw. welche Muskelbereiche schulen oder entspannen? Wie kann ich die Bodenhindernisse nutzen, um mein Pferd zu den entsprechenden Bewegungsübungen zu veranlassen?

Linda: Du schreibst, dass die Übungen den jeweiligen Pferdetyp angepasst sein müssen. Wie erkenne ich, welchen Typ Pferd ich habe?

Britta Reiland: Ich weiß, dass der Einstieg in die gezielte Bodenarbeit gar nicht so einfach ist und so habe ich die Pferde in Gruppen mit immer wieder vorkommenden Problemen zusammengefasst. Wer sich mit meinem Buch beschäftigt, wird sein Pferd sehr aufmerksam wahrnehmen und kann anhand der Typenbeschreibungen einen guten Einstieg in die einzelnen Übungen finden. Im Laufe der Zeit ist es durchaus möglich, dass sie bemerken, wie ihr Pferd die zu Beginn gewählte Typenbeschreibung verlässt und in eine andere wechselt 😉

Linda: Was bringen mir die Führübungen im Hinblick auf Reiten?

Britta Reiland: ALLES, was ich mir im Umgang und vom Boden aus erarbeite, macht sich auch beim Reiten bemerkbar (das gilt leider auch für manche Probleme, die in den Alltagsübungen beschrieben werden). Ein sicherer und selbstbewusster Umgang im Alltag und korrekt erarbeitete Führübungen geben Ihnen und Ihrem Pferd, die Sicherheit und die Balance, die sie für ein harmonisch reitbares Pferd brauchen. Gleichzeitig gymnastizieren Sie wichtige Muskelgruppen und zeigen Ihrem Pferd gesunde Bewegungsabläufe, die es mit Ihnen an der Seite verinnerlichen kann, so dass diese unterm Sattel wie selbstverständlich umgesetzt werden.

Linda: Mithilfe der Führübungen soll das Pferd schonend lernen in einer gesunden Stellung zu laufen. Wie genau erreiche ich, dass mein Pferd in Stellung läuft?

Britta Reiland: Jetzt wäre es schön, wenn ich dies so erklären könnte, dass es mal so eben umzusetzen ist, nicht wahr? Leider ist das nicht ganz so einfach, weil mein Pferd erst dann korrekt in echter Stellung laufen kann, wenn ich mit ihm alle körperlichen Voraussetzungen erarbeitet habe. Aber ich kann ihm dies immer wieder anbieten und ihm Hilfestellung geben und werde merken, dass es im Laufe der Bodenübungen immer „biegsamer“ wird. Ich kann mein Pferd z.B. unterstützen, in dem ich es seitlich am Halfter anfasse und SANFT in die Stellung hinein locke. Folgendes darf ich nicht tun: Ich darf es nicht am Halfter zu mir ziehen! Ich darf mein Pferd nicht mit Kraft stellen! Ich darf nicht so viel Stellung fordern, dass es mit seiner Hinterhand ausschwenken muss, um auszugleichen! Ich darf nicht gegen mein Pferd arbeiten: Weigert es sich mir Stellung zu bieten, muss ich mich fragen, woran das liegen könnte. Meist ist die entsprechende Muskulatur noch nicht so weit, dass sie sich ausreichend dehnen kann oder es fehlt noch an Balance oder auch Vertrauen in mich als Führperson.

“Bei der Arbeit in Stellung gilt zu Beginn ganz sicher: Weniger ist mehr!”

Linda: Welches Zubehör, vor allem welche Zäumung würdest du für die Arbeit empfehlen?

Britta Reiland: Wenn ein Kappzaum genutzt wird ist die oberste Regel: Er muss optimal passen, im Zweifel sogar für den Pferdekopf angepasst sein. Hier empfehle ich jeden, sich vor Ort beraten zu lassen. Es gibt Pferdeköpfe, da passt einfach kein Eisen und manche die sich an den einfachen Nylonkappzäumen stören. Gut ist ein aus Leder gearbeiteter Kappzaum, weil sich da die Lochungen im Gegensatz zu anderen Materialien individuell anpassen lassen.

Der Strick sollte so lang sein, dass ich ihn locker in der Hand halten kann und mich auch ein Stück vom stehenden Pferd wegbewegen kann, aber er darf keinesfalls so lang sein, dass ich mich in der Handhabung gestört fühle und immer wieder umgreifen muss oder sogar darüber stolpere. Probieren Sie verschiedene Längen aus und wählen Sie die, die am besten zu Ihnen und Ihrem Pferd passt. Auch das Gewicht spielt ein Rolle. Ich persönlich habe bei manchen Pferden lieber einen schweren und bei anderen einen ganz leichten Strick in der Hand.

“Sie und Ihr Pferd sind ein Team: Wählen Sie die für Sie passenden Arbeitsmittel so aus, dass sie beide sich gut und sicher fühlen.”

Linda: Vielen Dank für deine ausführlichen Antworten. Noch eine letzte Frage, planst du eine Fortsetzung des Buches?

Britta Reiland: Mein Kopf ist voll mit weiteren Übungen, Tips und Tricks, die ich Ihnen so gerne in einem weiteren Buch vermitteln möchte, so dass eine Fortsetzung schon jetzt in Arbeit ist. Neben weiteren Übungen möchte ich insbesondere einen Weg in die gesunde Longenarbeit aufzeigen, bei dem Bodenhindernisse sinnvoll und einfach genutzt werden können.